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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas
Autoren: Sarah Ockler
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GPS -Gerät in den Bergen, das abwechselnd die schwierigsten Routen entlangnavigierte und dann wieder die Satellitenverbindung verlor.
    »Wir sollten irgendwann alle zusammen zelten gehen. Lourdes, hast du immer noch dieses alte Zelt?«
    Suche Signal … Suche Signal … Suche Signal …
    »Ich bin Jude, Papi. Ich weiß nicht, wo das Zelt ist. Vielleicht irgendwo im Schuppen.«
    Ich war vollkommen starr und wartete darauf, dass Emilio die Flucht ergreifen würde, sich irgendeine dringende Sache einfallen lassen würde, die ihn an einen x-beliebigen Ort führen würde, Hauptsache weg von hier. Vielleicht hatte Mom gar nicht so unrecht mit ihrem Bemühen, Papi vor der Welt zu verstecken. Nicht, weil er uns hätte peinlich sein sollen, sondern weil unsere Situation allen anderen peinlich war, und ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich wanden, war schlimmer, als das unangenehme Sich-Winden selbst zu durchleiden.
    »Ich gehe total gern zelten.« Emilio griff nach einer empanada . »Allerdings nur im Sommer. Bei allem unter zehn Grad kneife ich.«
    »Erinnerst du dich daran, wie wir im Rocky-Mountain-Nationalpark zelten waren, Lourdes?«, fragte Papi.
    Ich hielt den Blick auf meine Hände gerichtet, die miteinander verschränkt in meinem Schoß lagen und die ich so fest zusammenpresste, dass die Fingerspitzen weiß wurden. »Ich bin Jude, Papi.«
    »Jude war damals noch nicht geboren. Mom war noch schwanger mit ihr. Weißt du nicht mehr? Mom konnte die großen Wanderungen nicht mitmachen, und du und Mari wolltet bei ihr im Zelt bleiben, während Celi und ich die Twin Sisters bestiegen haben. Was für eine wunderschöne Aussicht wir da oben hatten – wir haben eine Dickhornschaffamilie gesehen. Ich hätte beinah einen Herzinfarkt bekommen, so nah ging Celi mit ihrer Kamera an sie ran!«
    Ich lächelte. Es schien eine schöne Erinnerung zu sein. Ich wäre nur zu gern dabei gewesen.
    Aber das war ich nicht.
    Lourdes lebt inzwischen in Argentinien. Sie ist schon seit zwölf Jahren aus dem Haus. Ich erinnere mich kaum noch an die Zeit, als sie hier gewohnt hat und sich ein Zimmer mit Mari teilte, die vor sechs Jahren nach Denver gezogen ist. Celi ist als Letzte gegangen und auch sie lebt schon seit vier Jahren in Manhattan. Sie sind alle ausgeflogen, um ein erfolgreiches Leben zu führen – Winzerin, Literaturagentin, Assistentin der Geschäftsführung –, und ich bin seitdem mit meinen Eltern allein gewesen.
    Ich ließ den Blick über unseren einst voll besetzten Gartentisch schweifen und spürte die Abwesenheit meiner Schwestern plötzlich wie einen schweren Druck auf meiner Brust lasten. Ich schloss die Augen und versuchte sie mir genau so vorzustellen, wie ich sie zuletzt an diesem Tisch gesehen hatte – zwei Jahre zuvor, um Papi herum gedrängt, während er sich beim Ausblasen der fünfzig Kerzen etwas wünschte. Lourdes hatte nicht persönlich kommen können, aber sie war via Skype über Maris Laptop dabei gewesen und hatte am lautesten gejubelt, als Papi die Kerzen ausblies und alle bis auf eine erloschen.
    »Jude?« Emilios Stimme holte mich in die Gegenwart zurück. Als ich die Augen öffnete, löste sich das Bild meiner Schwestern in Luft auf. Alles, was von der Erinnerung blieb, war jene einsame Flamme, die inmitten des aufsteigenden Qualms der anderen so hell gebrannt hatte.
    »Jude?«, wiederholte Papi. Er lächelte mit vollem Mund und das Herz wurde mir schwer.
    Bitte schenke Papi jede Menge Geburtstagsglück und Gesundheit. Ende.
    »Ich bin vollkommen erledigt.« Ich täuschte ein Gähnen vor. »Sollen wir zurück ins Haus gehen?«
    Papi starrte mich so lange an, dass ich beinah sehen konnte, wie sich die Rädchen in seinem Kopf drehten, wie die Teile des Puzzles von einer Lücke zur nächsten wanderten, um nirgends mehr richtig zu passen. »Okay, querida .«
    Emilio war im Schuppen, als ich zurückkam, überprüfte Valentinas Tachostand und machte sich Notizen auf einem gelben Block.
    »Du bist noch hier?« Die Frage war mir entschlüpft, ehe ich es verhindern konnte, meine Stimme klang belegt vor Überraschung und unerwarteter Erleichterung.
    »Hast du etwa gedacht, ich schlage mir den Bauch voll und hau ab? Wir haben noch jede Menge Arbeit vor uns, du und ich.« Er lächelte und legte den Block auf die Werkbank. Dann wischte er sich die Hände an seiner Jeans ab. Alles, was er tat, war von so viel Selbstvertrauen erfüllt, so viel Entschlossenheit, und als unsere Blicke sich erneut trafen, überlief mein Herz
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