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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas
Autoren: Sarah Ockler
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mir alles, was ich wissen musste.

33
    Wahre Bekenntnisse. Ich habe mich mindestens sechs Mal in meinem Leben geirrt (ohne näher auf diese Male einzugehen, ich sage nur, es kommt ab und zu vor). Aber eins weiß ich mit absoluter Sicherheit.
    In diesem Augenblick ist es noch viel zu früh, um wach zu sein.
    Ich werde die Augen nicht aufmachen – das brauche ich nicht. Ein frostiger Schauer kriecht über meine Haut und bringt die feuchte Kälte mit sich, die vom Anbruch der Morgendämmerung kündet, und als ein warmer Kuss auf meinen Lippen landet, ist mir egal, ob ich noch träume.
    »Es ist fast Morgen«, sagt eine liebevolle Stimme. Er zieht langsam den Reißverschluss meines Schlafsacks auf, reibt mir über den Bauch. »Kaffee ist heiß. Die Vögel zwitschern wie verrückt.«
    »Hm-mm. Worüber?«, frage ich, gefangen in meiner schlaftrunkenen Benommenheit.
    »Über dich. Sie konnten nicht schlafen, weil du so schlimm geschnarcht hast.«
    Ich öffne die Augen und fahre hoch, unsere Nasen berühren sich fast. »Lass uns eins klarstellen, Vargas. Ich schnarche nicht.«
    » Bueno, mi osita .«
    »Nenn mich noch einmal eine Bärin und ich werde deine Unterhose in rohem Fleisch wälzen. Dann bekommst du einen echten Bären zu Gesicht.«
    Er lässt seine Grübchen aufblitzen. Ich bin geliefert.
    Am Ende siegt der Drang nach Kaffee und Nahrung über den Drang, ihn zu küssen, aber nur sehr knapp, und ich krabble aus dem Zelt und zittere im blauen Schimmer der Dämmerung. Emilio legt seinen Fleecepulli um meine Schultern und reicht mir einen dampfenden Becher Kaffee. Hinter ihm knackt das Feuer, und hier ist, was ich denke:
    Wow. Entgegen all seinen aberwitzigen Unvollkommenheiten ist das Leben manchmal verdammt perfekt.
    Der erste rosa Streifen zeichnet sich am dunkelblauen Himmel ab und Emilio lächelt. »Mach einen Kaffee to go draus.«
    Ich nehme meinen Becher und folge ihm die zehn kurzen Meter bis zur Felskante. Wir finden eine gute Stelle, setzen uns und lassen unsere Beine über den Rand baumeln.
    Fünfzehn Meilen entfernt, auf der anderen Seite des in der Erde klaffenden Risses, bringen Touristen ihre Kameras in Position, wild entschlossen, jeden Moment mit der Linse festzuhalten. Aber auf dieser Seite, weit ab von den beliebten Plätzen, sind Emilio und ich allein, und keiner von uns hat einen Fotoapparat dabei.
    Ich trinke den Rest meiner Dark-Moon-Mischung und lasse meine Hand in Emilios gleiten. Das letzte bisschen Morgenkälte verflüchtigt sich. Danach sind Worte zwischen uns überflüssig, nur das Gefühl seiner Hand in meiner existiert, seiner Lippen auf meiner Wange. Der Horizont zersplittert, rosa und gelbe Risse bilden sich, dann streckt plötzlich das Licht seine goldenen Finger durch die Wolken, streichelt den Himmel und lässt den felsigen roten Grund in der Tiefe erstrahlen.
    Die Sonne erhebt sich über den Grand Canyon, entzündet Felsen, die schon zwei Milliarden Jahre, ehe wir geboren wurden, hier waren, und wahrscheinlich noch zwei Milliarden Jahre, nachdem wir die Erde verlassen haben, hier sein werden. Mein Herz schmerzt ob der grausamen und unvorstellbaren Schönheit des Ganzen. Wir sind nichts. Wir sind alles.
    Ich bin Staub.
    Emilio erweckt die glimmende Asche in unserer Feuerstelle wieder zum Leben. »Bereit, wenn du es bist, princesa .«
    Ich nicke einmal. Er gibt mir den Raum, den ich brauche.
    Das Feuer ist perfekt in der morgendlichen, frischen Luft und ich setze mich auf einen roten Felsbrocken davor. Dann ziehe ich das schwere schwarze Buch aus meinem Rucksack und lege es mir in den Schoß, während ich an das zurückdenke, was meine Schwestern mir erzählt haben …
    »Ich kann nicht glauben, dass du es wiedergefunden hast.« Celi blätterte das schwarze Buch durch. Wir hatten uns nach Mitternacht in ihrem Zimmer versammelt, so wie das letzte Mal. Emilio würde am Morgen kommen, um mich abzuholen, um uns dem Horizont entgegenzutragen.
    Ich hatte Papi versprochen, dass ich mitfahren würde. Es war der erste einer nicht enden wollenden Serie von letzten Wünschen – viejito loco .
    Sobald ich die Einladung offiziell angenommen hatte, stimmten meine Schwestern und Mom zu, mit der weiteren Diskussion über Papis Zukunft abzuwarten, bis ich wieder da wäre – wahrscheinlich ein weiterer letzter Wunsch auf Papis unendlicher Liste. Er wurde am Tag nach dem Unfall aus dem Krankenhaus entlassen, und Mari und Celi planten, den Rest des Sommers in Blackfeather zu bleiben. Lourdes würde im
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