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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas
Autoren: Sarah Ockler
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gegen eine Wand brettern würde. Aber es war seine Entscheidung.
    Die ganze Zeit schon hatte Papi sich eine letzte Fahrt gewünscht. Und jetzt würde er sie bekommen.
    Meine Schwestern waren sprachlos, sie standen mit weit aufgerissenem Mund und schreckgeweiteten Augen an meiner Seite, und ich wusste, sie sahen es auch. Den Glorienschein. Die Zeitlosigkeit.
    Fuck, yeah. Unser Vater war ein unerschrockener Hurensohn.
    Valentina grollte unter ihm, röhrte lauter, als Papi am Gas drehte. Er schien mit der Maschine zu verschmelzen, als sei das Motorrad die schiere Verlängerung seiner Gliedmaßen, der schnurrende Motor sein Herz und seine Seele. Mein Bauch füllte sich mit Schmetterlingen.
    Papi zwinkerte mir zu.
    Falls eine meiner Schwestern vorgehabt hatte, ihn aufzuhalten, hatte es ihr die Sprache verschlagen. Wir standen alle vollkommen stumm da, als er die Füße vom Boden nahm. Das Motorrad rollte zur Schuppentür hinaus und brauste davon, Glück tanzte in der Luft hinterdrein.
    Pancake führte die Hatz aus dem Schuppen an und Papi fuhr kreuz und quer über das Grundstück. Valentina schoss ums Haus, die Einfahrt runter, durch den Vorgarten, hinter den Schuppen und wieder hervor. Er fuhr zu schnell, als dass wir sein Gesicht hätten sehen können, aber in meinem Herzen wusste ich, dass er lächelte. Valentina und Papi waren eins, ein Blitz aus Chrom und schwarzem Leder, die Sonne schien auf uns alle herab, und für einen kurzen Moment fragte ich mich, ob er vielleicht doch einen Weg gefunden hatte, El Demonio davonzulaufen.
    Ich wünschte, Emilio wäre hier.
    Der Gedanke löste sich von einem Ort tief in mir und heftete sich an mein Herz. Ich vermisste ihn. Ich brauchte ihn. Er hätte hier sein sollen, um Papis Fahrt mitzuerleben.
    Bei der dritten Runde tauchten Papi und Valentina wieder hinter dem Schuppen ab, und unsere Köpfe fuhren wie einer herum, damit unser Blick ihnen folgen konnte. Sekunden später schoss das Motorrad als verschwommener Blitz wieder hervor. Blau und weiß und Chrom, kein Leder.
    Der Neigunswinkel war total verkehrt.
    Die Geschwindigkeit ließ nach.
    Beinah augenblicklich fing Valentina an zu stottern und brach im Gras zusammen, kippte einfach auf die Seite.
    Papi war nicht bei ihr.

32
    Der Arzt wollte uns keine Auskunft geben, solange Mom noch nicht da war, aber während unseres kurzen Aufenthalts im Blackfeather General hatte Mari sich bereits einen gewissen Ruf beim Personal erworben. Sie brauchte nur ihre Augenbrauen hochzuziehen und der frisch von der Uni kommende Arzt im Praktikum sang wie ein Kanarienvogel.
    Papi hatte eine ausgekugelte Schulter und ein paar geprellte Rippen. Auf der letzten Runde um den Schuppen musste er einen Aussetzer gehabt und vergessen haben, wo er war, und daraufhin hatte er das Motorrad losgelassen. Ohne sein Zutun fuhr es zwar stotternd noch ein Stück, warf ihn aber vorher ab. Er krachte auf die Erde, landete auf der Seite. Er habe Glück gehabt, sagte der junge Arzt.
    Glück, dass er im Gras und Dreck gelandet war und nicht auf Beton oder Schotter.
    Glück, dass er einen Helm und Leder trug.
    Glück, dass er zu dem Zeitpunkt nicht besonders schnell unterwegs gewesen war.
    Es war meine Schuld, dass Papi hier war, verstaut in einem Krankenbett, das demjenigen nicht unähnlich war, in dem er vermutlich sterben würde. Es war meine Schuld, dass er den Garten umgegraben hatte. Meine Schuld, dass er den Brand ausgelöst hatte. Ich hatte ihm nur helfen wollen, hatte ihn glücklich machen wollen und gesund. Doch es schien, als wäre es mir bloß gelungen, den Verlauf seiner Krankheit zu beschleunigen, ihn ein paar Schritte näher Richtung Todesschwelle zu schubsen.
    Es spielte keine Rolle, was meine Schwestern mir als Nächstes an den Kopf werfen würden; kein Wort, keine Drohung hätte vermocht, dass ich mich noch miserabler fühlte. Ich zog das Van-Halen-T-Shirt über meine Knie und kauerte mich von dem Wunsch erfüllt zusammen, verschwinden zu können, mich in einen Steppenläufer zu verwandeln und die Straße entlang davonwirbeln zu lassen.
    Ich bin Staub.
    »Schon gut, Juju«, flüsterte Mari in meine Haare. Ich wurde von ihrem Geruch nach Lavendel und Zigaretten eingehüllt, als sie meinen Rücken rieb. »Papi geht es gut. Es ist nicht deine Schuld.«
    Ich sah ihr ins Gesicht. Sie schenkte mir ein winziges Lächeln und wischte meine Tränen mit den Daumen ab.
    »Ich glaube, du hattest womöglich recht«, sagte sie. »Papi hatte diese Fahrt
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