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Verlangen

Verlangen

Titel: Verlangen
Autoren: Sylvia Day
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Lauf der Jahre gesehen hatte, hatte sichtbare Spuren hinterlassen. Matt und entmutigt packte er das Heft seines Schwerts und pochte fest gegen die Tür. Es würde eine lange Nacht werden.
    »Wer ist da?«, ließ sich eine trällernde Stimme von drinnen vernehmen.
    Er hielt mit dem Schwert in der Luft inne. Sein Interesse war geweckt.
    »Hallo?«, rief sie.
    Sein Gehirn wurde durch das unerwartete Gespräch gebremst, daher entfuhr ihm das Erste, was ihm in den Sinn kam. »Wen hättest du denn gern bei dir zu Besuch?«
    »Ach, geh weg«, murrte sie. »Ich habe euch Spinner satt.«
    Aidan blinzelte die Tür an. »Wie bitte?«
    »Kein Wunder, dass ich nie schlafen kann, wenn ihr Typen mit euren Rätseln ständig an die Tür klopft. Wenn du mir deinen Namen nicht sagen willst, kannst du gleich wieder verschwinden.«
    »Welchen Namen möchtest du denn hören?«
    »Deinen richtigen, Klugscheißer.«
    Er zog eine Augenbraue hoch, denn plötzlich kam es ihm vor, als sei er hier der psychisch Gestörte und nicht umgekehrt.
    »Tschüss, wer auch immer du bist. Es war nett, mit dir zu plaudern.«
    Ihre Stimme klang jetzt ferner, und er wusste, dass er sie jeden Moment verlieren würde.
    »Aidan«, rief er laut.
    »Ach.« Es entstand eine bedeutungsvolle Pause. »Der Name gefällt mir.«
    »Das ist gut. Vermute ich jedenfalls.« Er runzelte die Stirn, da er nicht sicher war, was er als Nächstes tun sollte. »Darf ich reinkommen?«
    Die Tür schwang mit qualvoller Gemächlichkeit auf, die Angeln quietschten, und aus den Ritzen erhoben sich weiche Rostwölkchen. Er starrte sie einen Moment lang an, verblüfft darüber, wie leicht es war, sich Zugang zu verschaffen. Schließlich war er gewarnt worden, die Aufgabe sei nahezu unlösbar. Dann traf ihn das Innere mit der Wucht eines Schlags. Drinnen war es ebenso pechschwarz wie draußen. So etwas hatte er noch nie gesehen.
    Behutsam trat er in ihren »Traum« ein und fragte: »Warum machst du kein Licht an?«
    »Weißt du«, sagte sie trocken, »das versuche ich jetzt schon seit Jahren.«
    Ihre Stimme wehte wie eine warme Frühlingsbrise durch die Dunkelheit. Er durchsuchte ihre Erinnerungen und fand nichts Ungewöhnliches. Lyssa Bates war eine ganz gewöhnliche Frau, die ein ganz gewöhnliches Leben führte. Es gab nichts in ihrer Vergangenheit oder Gegenwart, das diese Leere erklären könnte.
    Die Tür hinter ihm war noch weit offen. Er konnte sich zurückziehen. Einen Pfleger anfordern. Dankbar für den leichtesten Auftrag sein, den er seit sehr langer Zeit erhalten hatte.
    Stattdessen blieb er, denn er war fasziniert von dem Aufblitzen echten Interesses an einer Träumerin. Es lag so viele Jahrhunderte zurück, dass er so etwas zuletzt verspürt hatte.
    »Tja …« Er rieb sich mit einer Hand das Kinn. »Versuch, an einen Ort zu denken, an dem du gern wärst, und bring uns dorthin.«
    »Mach bitte die Tür zu.« Er hörte, wie sie davontappte.
    Aidan fragte sich, ob es ratsam war, sich gemeinsam mit ihr hier einzuschließen. »Können wir sie nicht offen lassen?«
    »Nein. Sie werden reinkommen, wenn du sie nicht zumachst.«
    »Wer wird reinkommen?«
    »Die Schatten.«
    Aidan stand stumm da und ließ den Umstand auf sich wirken, dass sie die Albträume als Einzelwesen erkannte. »Ich kann sie für dich töten«, bot er ihr an.
    »Ich verabscheue Gewalt, wenn du es unbedingt wissen willst.«
    »Ja, das wusste ich. Es ist einer der Gründe, weshalb du Tierärztin geworden bist.«
    Sie schnaubte. »Jetzt erinnere ich mich wieder daran, warum ich euch Typen rausgeworfen habe. Ihr schnüffelt zu viel herum.«
    Während er sich umdrehte, um die Tür zu schließen, sagte Aidan: »Du hast mich ohne weitereUmstände eingelassen.«
    »Deine Stimme gefällt mir. Ist das ein irischer Akzent? Woher kommst du?«
    »Welcher Ort wäre dir denn lieb?«
    »Das ist mir egal.« Die Schritte entfernten sich noch weiter. »Du findest allein hinaus. Ich rede nicht mehr mit dir.«
    Aidan lachte leise und bewunderte ihren Mut. Sie war nicht eingeschüchtert, obwohl es erbärmlich sein musste, ganz allein im Dunkeln zu sein. »Weißt du, worin dein Problem besteht, Lyssa Bates?«
    »Darin, dass ihr mir auf die Nerven geht, du und deine Freunde?«
    »Du weißt nicht, wie man träumt. All die endlosen Möglichkeiten deiner Fantasie, all diese Orte, an die du gehen kannst, die Dinge, die du tun kannst, die Menschen, mit denen du zusammen sein kannst … doch was tust du? Du gönnst dir überhaupt
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