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Verlangen

Verlangen

Titel: Verlangen
Autoren: Sylvia Day
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Vincents italienischem Restaurant war, wie üblich, viel los, aber sie hatten keine Schwierigkeiten, einen Tisch zu er gattern. Rot-weiß karierte Baumwolltischdecken und Holzstühle sorgten für ein lässig-rustikales Ambiente. Auf jedem Tisch brannten Kerzen und verströmten weiches Licht, und Lyssa machte sich sofort mit Genuss über das frisch gebacke ne Rosmarinbrot her.
    »Na, da sieh mal einer an!«, sagte ihre Mom beifällig und bestellte Wein, indem sie ihr langstieliges Glas hob. »Ich frage mich, ob deine Schwester auch ordentlich reinhaut. Ihre Geburtshelferin sagt, das Baby ist wieder ein Junge. Sie versucht, sich Namen für ihn einfallen zu lassen.«
    »Ja, das hat sie mir erzählt.« Lyssa tunkte noch einen Brocken Brot in Olivenöl, zuckte die Achseln und griff nach der Speisekarte.
    Eine beschwingte italienische Melodie rang darum, das Getöse der Menge zu übertönen, die zum Mittagessen hereingeströmt war, doch die geschäftige Atmosphäre war genau das, was Lyssa brauchte, um sich wieder wie ein Teil der Zivilisation zu fühlen. »Ich habe ihr gesagt, ich könnte nur mit Namen für Haustiere aufwarten. Das hat sie nicht gerade beeindruckt.«
    »Ich habe ihr vorgeschlagen, das Babybuch rauszuholen, das ich ihr geschenkt habe. Bei A anzufangen und sich durch das Alphabet vorarbeiten. Adam, Aiden …«
    »Aidan!«, rief Lyssa mit vollem Mund aus. Ein zärtliches Gefühl wärmte sie innerlich und ließ sie aufseufzen. »Ich weiß nicht, warum, aber ich liebe diesen Namen wirklich.«
    Es war eine wunderschöne Zwielicht-Nacht. Der Himmel war eine ebenholzschwarze Sternendecke, und in der Ferne wetteiferte das Tosen etlicher Wasserfälle mit Gelächter und gedämpften melodischen Klängen. Wächter, die die lange Nacht zuvor durchgearbeitet hatten, entspannten sich von den Strapazen.
    Für Aidan begann die Arbeit jedoch gerade erst.
    Er schritt durch den massiven Torbogen am Tempel der Ältesten und blieb am Chozuya stehen. Dort tauchte er die bereitliegende Schöpfkelle in den Brunnen, spülte sich den Mund aus und wusch sich die Hände, ehe er weiterging.
    Tonlos vor sich hin murrend durchquerte er den zentralen Innenhof und betrat den Haiden , wo ihn die Ältesten erwarteten. Sie saßen in Reihen in einem Halbkreis vor ihm, dem Säulengang zugewandt, durch den er gerade gekommen war.
    Die Reihen stiegen mehrere Stockwerke hoch über ihm an, und es gab so viele Bänke, dass die Wächter schon vor langer Zeit aufgegeben hatten, die Anzahl der Ältesten zu ermitteln, die dort saßen.
    »Captain Cross«, begrüßte ihn einer von ihnen.
    Aidan hätte nicht sagen können, welcher es war. Wie immer dachte er an Meister Sheron, da er wusste, dass der Lehrer einer unter vielen war, in etwas aufgegangen, das Aidan als kollektives Bewusstsein ansah. Dieses Wissen betrübte ihn.
    Er verbeugte sich respektvoll vor den Ältesten.
    »Erzählt uns mehr über Eure Träumerin Lyssa Bates.«
    Es kostete ihn Mühe, doch er achtete darauf, dass sein Gesicht teilnahmslos blieb, als er sich aufrichtete. Schon allein beim Klang ihres Namens, wenn er laut ausgesprochen wurde, durchzuckte ihn ein Schauer der Lust. Trotz der Dunkelheit ihres Traums hatte er die Zeit mit ihr genossen. Hinter dem massiven Tor hatte er sich sicher gefühlt, getröstet durch ihr Vertrauen, innerlich überrascht und voller Zufriedenheit, weil sie sich ihm um seiner selbst willen zuwandte, nicht als einem Phantasma, das sie zu ihrer eigenen Linderung erschaffen hatte. Und sie hatte ihn bedauert, ihn als Mann angesehen und nicht als Automaten, der sich nach nichts so sehr verzehrte wie nach einem herzhaften Kampf und einem bereitwilligen Fick.
    »Ich habe Euch alles gesagt, was ich weiß.«
    »Es muss mehr zu berichten geben. Sieben Schlafzyklen sind vergangen, seit Ihr Euch Einlass verschafft habt, und sie hat allen nachfolgenden Wächtern den Zutritt verwehrt.«
    Er zuckte die Achseln. »Lasst sie in Ruhe. Sie schwebt nicht in Gefahr, und ihre geistige Gesundheit ist nicht bedroht. Wenn sie so weit ist, wird sie uns einlassen. Sie hat keine unmittelbare Verwendung für uns. Im Moment braucht sie uns nicht.«
    »Vielleicht haben wir ja Verwendung für sie.«
    In stocksteifer Haltung ließ Aidan die Blicke über das Meer von Gesichtern schweifen, und sein Herzschlag beschleunigte sich. Sie blickten ihn starr an, dunkelgrau gekleidet, die Kapuzen ihrer Kutten so weit vorgezogen, dass sie die obere Gesichtshälfte schützend verbargen und dadurch alle
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