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Verlangen

Verlangen

Titel: Verlangen
Autoren: Sylvia Day
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Unschuldige töten sollten, wusste er nicht, wie er das aushalten sollte.
    »Ihr seid bei ihr geblieben, Cross. Ihr hättet Euch zurückziehen und einem anderen gestatten können, sie zu trösten. Diesen Auftrag habt Ihr nur Euch selbst zuzuschreiben. Ihr könnt die Schuld nicht auf andere abwälzen.«
    Er streckte ihnen seine geöffneten Handflächen entgegen. »Wie konnte es dazu kommen, dass wir, die Bewacher der Unschuldigen, jetzt einfach nur deshalb töten würden, weil wir etwas nicht verstehen?«
    »Der Schlüssel muss gefunden und zerstört werden«, ertönte der Chor der Ältesten.
    »Vergesst den verdammten Schlüssel!«, brüllte er, und seine Stimme hallte so laut durch den Raum mit dem Kuppeldach, dass die Ältesten wie ein einziger Leib zurückwichen. »Ihr, die Ihr so weise seid, könnt die Wahrheit nicht sehen, obwohl sie Euch ins Gesicht starrt. Es gibt keinen Schlüssel! Das ist ein Traum. Ein Mythos. Eine Wahnvorstellung.«
    Er wies anklagend mit einem Finger auf sie. »Ihr wollt Euch falschen Hoffnungen hingeben, statt den Tatsachen in s Gesicht zu sehen. Ihr wollt daran glauben, dass es irgendwo dort draußen ein wundertätiges Ding gibt, das Euch von der Schuld freispricht, die Ihr verspürt, weil Ihr die Albträume hierhergebracht habt. Wir haben nichts weiter als unseren Willen zu kämpfen, und wir vergeuden Energien bei der Suche nach etwas, das nicht existiert. Der Krieg wird nie mals enden. Nie. Wir können nur weiterhin retten, wen wir r etten können. Was wird aus uns werden, wenn um einer Lüge willen das Gute gemeinsam mit dem Bösen getötet wird?«
    Als er weitersprach, ließ seine gesenkte Stimme nichts Gutes ahnen. »Es sei denn, es gibt etwas, das Ihr uns nicht sagt. Einen Beweis.«
    Die Stille, die auf seinen Ausbruch folgte, war ohrenbetäubend. Er hatte nur das Offensichtliche ausgesprochen.
    Endlich ergriff jemand das Wort. »Ihr habt uns nichts von Eurer Glaubenskrise gesagt, Captain Cross«, lautete die viel zu ruhige Erwiderung. »Aber alles kommt zu seiner Zeit, und da wir uns jetzt Eurer Gefühle bewusst sind, ist dieser Auftrag sogar noch angemessener für Euch.«
    Auch in seinen Ohren klang es zunehmend besser, sich hinter geschlossene Türen zurückzuziehen. »Also gut. Ich werde jetzt gleich zu ihr gehen. Und ich werde meine Besuche bei ihr fortsetzen, bis ich gegenteilige Anweisungen von Euch erhalte.«
    Er hoffte, sie würden zu ihrer kollektiven Vernunft finden und erkennen, wie fanatisch ihre Glaubensvorstellungen mittlerweile waren. Bis dahin würde er Lyssa sowohl vor sich selbst als auch vor dem Orden schützen, der ihren Schutz gelobt hatte.
    Aidan machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Gebäude in seiner zornig wogenden schwarze Robe.
    Das kollektive Lächeln der Ältesten sah er nicht.
    Und niemand sah den einen unter den Ältesten, der ganz und gar nicht lächelte.
    »Was ist los mit dir? Letztes Wochenende hast du prima ausgesehen.«
    Lyssa wälzte sich auf die andere Seite und presste ihr Gesicht an das Rückenpolster des Sofas. »Diese eine erholsame Nacht war reiner Zufall.«
    Ihre Mutter saß auf dem Boden und strich ihr über das Haar. »Du hast schon immer Probleme mit dem Schlafen gehabt. Erst waren es Wachstumsschmerzen, dann Albträume, dann Fieberanfälle.«
    Die Erinnerung an Bäder in Eiswasser ließ Lyssa erschauern. Sie zog die olivgrüne Chenilledecke enger um sich. Von seinem angestammten Platz auf der Armlehne des Sofas fauchte Jelly Bean ihre Mom an.
    »Dieses Tier ist besessen«, murrte ihre Mutter. »Es kann niemanden leiden.«
    »Ich werde ihn nicht abschieben. Er ist der einzige Kerl, der mich erträgt, wenn ich so bin.«
    Cathy seufzte. »Ich wünschte, ich wüsste, was wir tun können, Kleines.«
    »Ja, ich auch. Es hängt mir so zum Hals raus, mich elend und müde zu fühlen.«
    »Du musst dich weiteren Untersuchungen unterziehen.«
    »Mein Gott, bloß das nicht«, stöhnte Lyssa. »Ich habe es satt, ein menschliches Nadelkissen zu sein, Mom. Es reicht mir.«
    »Du kannst nicht so weiterleben!«
    »Das soll ein Leben sein?«, murmelte Lyssa. »In dem Fall wäre ich lieber tot.«
    »Lyssa Ann Bates, wenn du noch mal so was sagst, dann … dann …« Ihre Mutter stand murrend auf, da ihr anscheinend keine Drohung einfiel, die grausiger war als der Tod. »Ich kaufe jetzt die Zutaten für eine hausgemachte Hühnerbrühe mit Nudeln. Und die wirst du aufessen, junge Frau. Bis auf den letzten Tropfen.«
    Lyssa stöhnte und presste
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