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Vergiss es Baby - Roman

Vergiss es Baby - Roman

Titel: Vergiss es Baby - Roman
Autoren: Claudia Sanders
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T-Shirt gezogen. Doch wer rechnete schon damit, mitten in der Wüste in einer voll klimatisierten Grabkammer sitzen zu müssen. Die frostigen Temperaturen waren sicher nötig, um die Mumifizierung der Anwesenden nicht zu gefährden. Doch warum regte sie sich auf? Im Prinzip traf die trostlose Atmosphäre doch exakt das, was man sich zuhause an einem trüben Novembertag vorstellte, wenn man an Las Vegas und damit an die Glut der Wüste, Geld, Glück und Glamour dachte.
    »One more?« Der Barkeeper unterbrach ihre Gedanken und erinnerte Marlene an ihre Pflicht. In möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld auszugeben, war hier oberstes Gebot. Ab dem dritten Drink wurden saftige Preise verlangt, aber das störte Marlene nicht. Hier zu sitzen und sich von dichtem Zigarrenrauch einnebeln zu lassen war immer noch besser, als an einem der Black-Jack- oder Roulettetische Platz zu nehmen.
    Eben überlegte sie, ob ein Spaziergang auf dem Strip das Richtige sein könnte, um sie ein wenig aufzuheitern, als ihr ein
Mann auffiel, der sich suchend umsah. Als er Kurs auf die Bar nahm, schlug ihr Herz ein kleines bisschen schneller, und als er sich neben sie setzte, veranstaltete es einen wahren Trommelwirbel. Sie brauchte eine Weile, um sich von dem Schock zu erholen. Da war es nur logisch, zur Beruhigung einen weiteren Drink zu ordern. An dem Glas konnte sie sich wenigstens festhalten.
    Aus den Augenwinkeln musterte sie ihn unauffällig und fragte sich, was den Kerl hierher verschlagen haben könnte. Mit seinem attraktiven Aussehen und seiner dezenten Eleganz passte er ins Kasino wie ein Transvestit in den Vatikan. Sie stellte sich vor, dass ihn ein Geheimnis umgab, das nur sie zu lüften verstand. Fast wäre sie nach einem großen Schluck von ihrem neuen Drink bereit gewesen, ihn für einen Undercover-Agenten zu halten. Musste an der dunklen Sonnenbrille liegen, die er trug. Da hatten sie doch tatsächlich etwas gemeinsam! Vielleicht arbeitete er aber auch für eine Bundesbehörde, die im Auftrag der Regierung Steuersünder aufspürte. Trugen die Feds nicht immer diese dunkelblauen klassischen Anzüge mit dezenten Krawatten? Unauffällig suchte sie nach einem Knopf in seinem Ohr, fand aber keinen. Auch sonst keine Hinweise, die ihre Hypothese hätten untermauern können.
    Der Konsum mehrerer Cocktails, über deren Ingredienzien sie nur wusste, dass sie jede Menge Promille aufwiesen, blieb natürlich nicht folgenlos. Ihre Abenteuerlust, von deren Vorhandensein sie bislang noch nie etwas bemerkt hatte, machte sich plötzlich bemerkbar. Tatsächlich stand ihr der Sinn nach einer Dummheit. Wie wäre es denn, wenn sie etwas tat, das sie noch nie getan hatte? Nur was?

    Sie würde den Mann ansprechen!
    Jetzt.
    Sofort.
    Gleich.
    Nachdem sie sich noch etwas zu trinken bestellt hätte.
    Jeden Tag sprachen Frauen Männer an. Daran war nichts Ungewöhnliches. Sie musste nur strikt strategisch vorgehen, um möglichst spontan zu wirken. Also los.
    »I beg your pardon.« Mit breitem Hollywoodlächeln wandte sie sich nach rechts, ein schon wieder leeres Glas in den Händen.
    Was war noch gleich ihre Strategie gewesen? Sie erinnerte sich nicht. Also würde sie improvisieren müssen.
    »Do you wear your suit …«
    Was hieß wohl »freiwillig« auf Englisch? Sagte man das überhaupt so? Oder formulierte man anders? Während sie noch überlegte, wie sie den Satz retten konnte, wandte sich der Typ ihr zu, setzte seine Sonnenbrille ab und sah sie an.
    Das hätte er besser gelassen. Marlene blickte in das aufregendste Paar meergrüner Augen, das sie jemals gesehen hatte. Schlagartig vergaß sie alles, was sie über die englische Sprache zu wissen glaubte. Viel war es ohnehin nicht gewesen.
    Wie bekam man diese Augenfarbe hin? Etwa, wenn man sich lange genug in gleichfarbigen Gewässern tummelte? Das durchdringende Grün schrie Mehr, äh, Meer. Plötzlich spürte sie, wie sich etwas in ihr vom sicheren Ufer abstieß und aufs offene Meer hinaustrieb, wo es sich willenlos den Wellen, dem Wind und dem Gesang der Sirenen hingab. Den Sog, der sie fortriss, empfand sie als so gewaltig, dass sie sich wie eine Ertrinkende auf der Suche nach Rettung am Tresen festkrallte.

    »Ähem …«, brachte sie hervor und musste sich zur Ordnung rufen, um das Geräusch der tosenden Brandung in ihrem Kopf zu übertönen. Jetzt nur keinen Fehler machen. Leicht gesagt, wenn sie bereits nach einem Blick in seine Augen schwankte. Sie drehte ihr Glas in den Händen und
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