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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet
Autoren: Thomas Enger
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seine Wangen glühend heiß werden. »Warum wurde Fjell getötet?«
    »Daran erinnere ich mich nicht.«
    »Dann war der Schwede so etwas wie ein Auftragsmörder? Verstehe ich das richtig?«
    »Genau. Die Schwedenliga war damals ziemlich dominant in Oslo, aber das weißt du ja sicher. Alisha, geh da nicht rauf! Das ist lebensgefährlich, wenn du da runterfällst!«
    Brogelands Stimme verschwindet für einen Moment. Henning erinnert sich jetzt an den Fall. Fjell wurde kurz vor Jonas’ Tod ermordet. Henning hat anfänglich an dem Fall gearbeitet, er weiß aber nicht mehr, wann er damit aufgehört hat.
    »Aber wenn das Rache für Fjell war, wer hat dann Brolenius gerächt?«
    »Tja, es heißt, jemand hätte Fjells Grabstein umgestoßen, aber mehr war da nicht. Es hatte wohl keinen Sinn, Rache zu üben, nachdem Pulli verhaftet worden war. Warum arbeitest du jetzt an dem Fall?«
    »Ich weiß noch nicht, ob ich daran arbeite.«
    »Hallo? Du rufst mich an einem Samstag an.«
    »Ja, ich … tut mir leid.«
    »Übrigens, Tore Pulli hatte eine Wahnsinnsfrau, das weiß ich noch … verdammt, Mann.«
    »Hm?«
    »Warum ist es eigentlich immer so, dass die größten Arschlöcher die besten Frauen abkriegen?«
    Henning antwortet nicht.
    »Wie dem auch sei: Du solltest mit Pia Nøkleby reden«, fährt Brogeland fort. »Sie hat den Fall unter sich und kennt sich wirklich aus.«
    »Gute Idee.«
    »Warte aber bis Montag«, beeilt Brogeland sich hinzuzufügen. Henning brummt nur als Antwort und legt auf.
    Das wird nicht leicht, denkt er. Mord und Rachemord in einem Milieu, in das man kaum vordringen kann und ganz sicher nicht als Journalist. Aber wenn Pulli unschuldig ist, musste es jemandem gelungen sein, einen Mann wie Jocke Brolenius auf eine Weise zu töten, die zweifelsohne auf Tore Pulli verwies, was in sich beinahe schon so etwas wie ein Ding der Unmöglichkeit war. Jemand muss verdammt gerissen und extrem skrupellos vorgegangen sein. Diesem Menschen gefällt es ganz sicher nicht, wenn ich jetzt versuche, den Staub wieder aufzuwirbeln.
    Der Fall ist nicht bloß schwierig, denkt er, sondern auch verflucht gefährlich.
    9
    Die Fernlichter eines schnell fahrenden Autos schneiden sich durch die Bäume und legen einen weißen Schleier über den beginnenden Herbst. Ørjan Mjønes hat die Finger fest ums Lenkrad gelegt, wirft einen Blick in den Spiegel und vergewissert sich, dass er nicht verfolgt wird. So schnell, wie ich fahre, würde dazu auch schon einiges gehören, denkt er.
    Sein Bordcomputer zeigt 02.15 Uhr, und schon vor einer ganzen Weile hat er die nächstliegende Hauptstraße verlassen. Ein heftiges, lautes Dröhnen unter den Rädern verrät ihm, dass er gerade über einen Weiderost gefahren ist, bevor das Profil wieder die kleinen Schottersteinchen an den Straßenrand fegt.
    Mjønes weiß, dass die anderen bereits da sind. Es ist eine Weile her, dass sie zuletzt zusammengearbeitet haben, aber er ist sich sicher, dass sie genau wie er bereit sind, zur Tat zu schreiten. Als sich sein Plan zum ersten Mal richtig herauskristallisiert hatte, gab es für ihn keinen Zweifel mehr, wen er brauchte: Flurim Ahmetaj, ein Computergenie, das sich mit Überwachungstechnik auskennt und Zugriff auf das nötige Material hat. Durim Redzepi, der sich wie kein anderer Zutritt zu allen nur erdenklichen Gebäuden verschaffen kann, und Jeton Pocoli, einen Meister der menschlichen Bewegungen. Außerdem hat er mit seinem Schlafzimmerblick und dem etwas verwegenen Aussehen immer einen Schlag bei den norwegischen Frauen. Die ersten Berichte, die er abgeliefert hat, deuten an, dass gerade diese Eigenschaft noch von Bedeutung sein könnte.
    Für sie war es noch nie genug, sich an einen gedeckten Tisch zu setzen und einen vorgegebenen Plan einfach auszuführen und bezahlt zu bekommen. Speziell Mjønes hat ein solches Vorgehen noch nie gemocht. Er lebt für das Handwerk und liebt die Vorarbeit, das Zusammentragen all der kleinen notwendigen Informationen, die wie bei einem Puzzle zu einem großen Ganzen zusammengesetzt werden müssen, und er vergisst auch nie, das Unvorhersehbare einzuplanen. In diesen Momenten fühlt er sich lebendig. Und wenn alles nach Plan läuft, nach seinem Plan, erfüllt ihn das durch und durch mit einem Gefühl des Glücks. Das Beste aber ist, über sich selbst in der Zeitung zu lesen und gleichzeitig zu wissen , dass die Polizei nie in der Lage sein wird, ihn zu fassen.
    Mjønes bremst den Wagen ab und biegt in einen schmalen Weg
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