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Verfolgt

Verfolgt

Titel: Verfolgt
Autoren: Ally Kennen
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Radio an. Als ich einen vernünftigen Sender gefunden habe, lehne ich mich zurück und schließe die Augen. Wir wissen ja noch nicht mal, ob Tyson überhaupt in den Wald gelaufen ist. Eine Ewigkeit sitze ich so da und höre Radio, aber dann werde ich irgendwie traurig, keine Ahnung, |36| wieso. Ich spüre erste Gewissensbisse, weil ich nicht nach Tyson suche, dann merke ich, dass ich pinkeln muss. Ich muss mich hinter einen Busch hocken – wie peinlich! Ich bin nicht so ein Ökofreak, der gern auf Bäume klettert und sich aus Löwenzahn Kaffee braut. Mir reicht es vollauf, ein Kräutershampoo zu benutzen – das ist mir naturverbunden genug. Ich suche mir einen Baum in der Nähe aus und pinkle im Rekordtempo. Hoffentlich guckt mir Owen nicht heimlich zu! Aber der Wald bleibt stumm und still. Puh! Als ich aufstehe und meine Jeans hochziehen will, spüre ich in der Hosentasche etwas Hartes. Die Hundepfeife. Ich wische sie sorgfältig an meiner Jeans ab, dann puste ich nur zum Spaß fest hinein. Wie ich mir schon gedacht habe, hört man nichts. Trotzdem puste ich noch einmal. Könnte ja sein, Tyson überlegt es sich und kommt aus dem Unterholz gesprungen. Dann können wir endlich nach Hause fahren und meine Mutter wäre ausnahmsweise mal zufrieden mit mir.
    Ich gehe wieder ein Stück in den Wald hinein. Wenn ich schon den Hund nicht wiederfinde, kann ich immerhin die Gelegenheit nutzen, ein paar Kalorien zu verbrennen, dann erkälte ich mich wenigstens nicht. Meine Hosenbeine sind unten voller Matsch. Hoffentlich geht das wieder raus. Von der Traktorschneise zweigt ein schmalerer Trampelpfad ab, auf dem gelbe und rosa Blumen wachsen. Ich biege ab. Ich bin noch nicht weit gegangen, da lichten sich die Tannen und der Weg wird breiter. Ich betrete eine Wiese. In der Mitte steht eine Gruppe aus fünf niedrigen |37| Bäumen mit silbriger Rinde. Sogar ich muss zugeben, dass es ein schönes Fleckchen ist. Ich pule ein knallgrünes Moospolster von einem Baumstumpf und schnuppere daran. Riecht nach Erde. Bin ich noch klar im Kopf? Gleich fange ich noch an, Blätter zu sammeln, und lege mir ein Pflanzenalbum an.
    Hinter mir knurrt es.
    »Tyson?«
    In drei Metern Entfernung kauert ein Riesenvieh von Hund und glotzt mich aus blutunterlaufenen Augen an. Ich erschrecke zu Tode und wage nicht, mich zu rühren. Das ist nicht Tyson. Dann reiße ich mich zusammen und gehe in Zeitlupe rückwärts, um den fremden Hund nicht zu reizen. Er ähnelt einer Kreuzung aus Schäferhund und Pony. Von Natur aus hat er vermutlich weißes Fell mit ein paar braunen Flecken, aber seine Beine und sein Rücken sind schlammverkrustet. In seinem buschigen Schwanz hat sich eine Brombeerranke verfangen. Das reinste Monster.
    »Hallo, Kleiner«, sage ich in schmeichlerischem Ton. Das Vieh soll nicht mitkriegen, dass ich Schiss habe. Soll man sich doch bei fremden Hunden nicht anmerken lassen, stimmt’s? Der Hund knurrt noch einmal, entblößt lange gelbe Zähne und schwarze Lefzen. Er ist furchtbar abgemagert und sieht hungrig aus. Ich gehe weiter rückwärts und säusle: »Braver Hund! Bist ein ganz Braver!« Wo zum Teufel steckt der Besitzer von dem Vieh? Oder ist der Hund verwildert? Ich habe noch nie so einen riesigen |38| Hund gesehen. Ich bilde mir schon ein, dass er ein bisschen leiser knurrt, da springt er plötzlich auf und kläfft mich wütend an. Jetzt ist mir alles egal und ich renne los.
    »Hilfe!«, brülle ich. Scheiße – er hat meine Schuhsohle gepackt. Ich stolpere, trete um mich und treffe den Hund am Kopf. Das Vieh jault auf. Ich fange mich wieder und renne weiter. Ich renne zwischen den Bäumen durch, pflüge durch Farn und Brombeergebüsch, zerkratze mir Hände und Gesicht, aber immer noch besser, als in Stücke gerissen zu werden.
    »Hilfe!«, schreie ich verzweifelt. »Verdammte Scheiße   – Hilfe!« Wenn ich es bis zum Auto schaffe, kann ich reinspringen und die Tür zumachen. Aber der Hund ist mir dicht auf den Fersen und kläfft wie wild. Er springt immer wieder hoch und schnappt nach mir. Ich überlege mir, im Bogen zum Auto zurückzulaufen, aber da entdecke ich zwischen den Bäumen noch einen Hund. Der hat schwarzweißes Fell und ist nicht ganz so groß, aber er sieht genauso ausgehungert und gefährlich aus. Muss ein Colliemischling sein. Mist – er läuft geradewegs auf mich zu. Ich weiche aus, aber er erwischt mich am Oberschenkel.
    Es tut höllisch weh. »Spinnst du?«, brülle ich den Köter an. Ich halte auf eine
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