Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verfolgt

Verfolgt

Titel: Verfolgt
Autoren: Ally Kennen
Vom Netzwerk:
ziemlich gestört, zum Spaß niedliche kleine Tiere abzuknallen.
    »Bitte bringt mir meinen Hund wieder!«, ruft uns meine Mutter noch nach.
    Owens schwerer Atem lässt im Handumdrehen die Autofenster beschlagen. Ich rücke so weit von ihm ab, wie es geht, aber jedes Mal, wenn er den Gang einlegt, streift er mit seiner großen Hand mein Bein. Hoffentlich nicht absichtlich.
    |30| Bewlea (es wird »Bou-lie« ausgesprochen) ist ein schmuckes kleines Nest, die meisten Einwohner sind alte Leute mit dicken Autos. Ein gepflegter Vorgarten reiht sich an den anderen, an den Häusern sind Blinklampen zur Warnung vor Einbrechern und große Plastikschmetterlinge angebracht, und an praktisch jedem Laternenpfahl klebt ein Aufkleber:
Nachbarn schützen Nachbarn!
All die Jahre, die ich schon hierherkomme, bin ich noch nie jemandem in meinem Alter begegnet. Auf dem Dorfplatz gibt es zwei Torpfosten und einen kleinen Ententeich ohne Enten drauf. Owen hält am Dorfladen und kauft sich was zum Naschen. Durchs Autofenster kann ich die Teestube sehen, an deren Scheiben das Kondenswasser runterläuft, und das Hotel Friars, wo Mutter arbeitet. Ich lasse das Fenster herunter und lese die Zettel am Schwarzen Brett. Ein ausgeblichenes, mit Kuli beschriebenes rosa Post-it ist mit einer Stecknadel an die Korktafel gepinnt. Noch ein Hund ist entlaufen: ein Spaniel namens Tess, ein halbes Jahr alt. Ob die Besitzer ihn inzwischen wiederhaben? Dann hängt dort noch eine Einladung zu einer Gemeindeversammlung, bei der es um das Schicksal einer gewissen Nyasha Agruba gehen soll. Wer mag das sein? Jemand hat mit schwarzem Filzstift SCHICKT SIE ZURÜCK! über die Einladung geschmiert.
    Owen macht die Fahrertür auf und wirft mir eine große Bonbontüte in den Schoß. »Nimm dir eins!«, fordert er mich auf. »Du kannst einen Zuckerschub gebrauchen, die Suche wird anstrengend.«
    |31| »Nein danke.« Ich lege die Tüte vorn aufs Armaturenbrett. Ich hätte zwar total Lust auf ein Bonbon, aber von Owen nehme ich nichts an. Außerdem sehen meine Oberschenkel auf dem Autositz bedenklich breit aus. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Kapuzenjacke zu. Der Himmel ist bedeckt, es sieht nach Regen aus. Meine Haare dürfen nicht nass werden, sonst kriege ich Locken. Heute morgen ist mein Glätteisen nach dem Duschen nicht richtig heiß geworden. Katastrophe! Meine Mutter hat gesagt, ihres ist kaputt, deshalb musste ich mir die Haare trocken föhnen, was eine halbe Stunde gedauert hat.
    Owen stellt eine große Flasche Cola aufs Armaturenbrett und sagt, ich kann mich bedienen. Dann wickelt er ein Bonbon aus und steckt es in den Mund. Er lutscht wieder schmatzend und ich schaue aus dem Fenster. »Bleib locker«, schmatzt er. »Ich beiße nicht.«
    »Dann ist ja gut«, sage ich.
    »Manchmal glaube ich, deine Mutter liebt den Hund mehr als mich.« Er wischt sich den Mund. Ich bin ganz seiner Meinung, aber ich sage besser nichts dazu. »Oder als dich«, ergänzt er gehässig. Ohne nach links und rechts zu schauen, fährt er wieder auf die Straße und ein anderes Auto hupt uns an. Ich trommle unruhig auf mein Knie.
    »Was glaubst du, wie lange dein Dad verreist ist?« Owen schielt auf meine Titten und muss einen Schlenker fahren, um einem parkenden Auto auszuweichen.
    »Drei Wochen.«
    |32| Wir verlassen Bewlea und rasen die Landstraße runter. Bitte, lieber Gott, mach, dass uns niemand entgegenkommt. Die Straße ist nicht breit genug.
    »Trink doch was.« Owen deutet auf die Colaflasche.
    Ich habe tatsächlich Durst und trinke lieber, bevor Owen den Flaschenhals angenuckelt hat. Ich nehme die Flasche und öffne den Verschluss. Ich will die Flasche eben an den Mund setzen, da fährt Owen unvermittelt wieder einen Schlenker. Die Flasche fliegt mir aus der Hand und ich werde von oben bis unten nass und klebrig.
    Ich bin stinksauer. Meine Kapuzenjacke und meine Jeans sind klatschnass.
    »Tschuldigung«, sagt Owen. »Ich dachte, da läuft eine Katze über die Straße.«
    Ich darf mir zugutehalten, dass ich nicht darauf anspringe. Um nicht die Beherrschung zu verlieren, beiße ich die Zähne zusammen und zähle ganz langsam bis zwanzig. Aber innerlich koche ich vor Zorn. Hat er das mit Absicht gemacht? Bei Owen weiß man nie. Ich nehme die Kapuze nicht ab. Ich sitze einfach da, nass und wütend. Nach drei, vier Kilometern kreuzt die Landstraße eine breite Schnellstraße, dann geht es noch ein, zwei Kilometer kurvig bergauf, bis wir schließlich am Waldrand ankommen. Owen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher