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Verfolgt

Verfolgt

Titel: Verfolgt
Autoren: Ally Kennen
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bist.«
    Tyson, Mutters Hund, ist acht Monate alt und schon ein Riesenbrocken. Ich glaube, er ist eine Dobermannkreuzung. Er hat spitze Zähne und immer schlechte Laune. Meiner Meinung nach leidet er an Depressionen, denn er wedelt so gut wie nie mit dem Schwanz. Trotzdem mag ihn meine Mutter lieber als die meisten Menschen, sogar lieber als Owen, womöglich sogar lieber als meinen Bruder Devlin. Tysons Korb steht in der Küche und trägt die Aufschrift: »Unser Liebling«. Außerdem besitzt er drei Flauschdecken und dazu noch, als ich zuletzt nachgezählt habe, fünf Mäntel für jedes Wetter und damit mehr als ich. Meine Mutter schmiert ihm die Ohren mit Hundesonnenmilch ein, er trinkt nur stilles Wasser, weil im Leitungswasser angeblich weibliche Hormone drin sind, und zu fressen kriegt er frisches Fleisch vom Schlachter. Alle vierzehn Tage wird er im Hundesalon geschniegelt und gestriegelt und einmal die Woche bekommt er Benimmunterricht. Er braucht nur ein Mal zu niesen, schon sitzt |13| meine Mutter mit ihm beim Tierarzt. Er hat einen großen Karton randvoll mit eklig angekautem Spielzeug. Trotzdem ist er ein armes Vieh, weil er fast den ganzen Tag, wenn meine Mutter arbeiten ist, im Wintergarten eingesperrt wird und jault. Die Nachbarn sind nicht zu beneiden. Was mich betrifft, habe ich für Hunde nicht viel übrig. Viecher, die ihre eigene Kacke fressen, sind nicht mein Fall.
    Die Zimmertür knallt zu und ich bin allein. Durch die Wand höre ich, wie nebenan die Dusche angestellt wird. Ich glotze so lange auf das New-York-Poster, bis die schwarzen Umrisse der Gebäude mit dem grauweißen Himmel verschwimmen. Ich schlucke und atme tief und bewusst ein und aus. Es kommt nicht oft vor, dass ich heule. Davon kriege ich bloß verschwollene Augen und eine rote Nase und ich lege Wert drauf, immer gut auszusehen. Heimweh zu haben ist Quatsch, rede ich mir ein. Ich muss bloß ein paar Wochen hierbleiben, dann darf ich wieder nach Hause. Da geht die Zimmertür wieder auf. Meine Mutter hat sich nur ein flauschiges weißes Handtuch umgeschlungen, sonst ist sie nackt. Dafür, dass sie nicht mehr jung ist, hat sie sich ziemlich gut gehalten.
    »Aber geh mit Tyson, bevor es dunkel wird«, ermahnt sie mich. »Ich will nicht, dass du dich im Dunkeln allein draußen rumtreibst.«
    »Schon klar.« Ich reibe mir die Augen, als hätte ich eine Wimper im Auge. Zu Hause bin ich immer draußen, wenn es dunkel wird. Ich hab’s gern, wenn es dunkel ist. Ich bin ein Nachtmensch.
    |14| »In letzter Zeit treiben sich hier ein paar zwielichtige Gestalten rum«, fährt meine Mutter fort. »Landstreicher, Zigeuner, irgendwelche Fremde. Spinner. Tja, dieses Dorf ist auch nicht mehr das, was es mal war.« Sie sieht mich erwartungsvoll an.
    »Bist du jetzt unter die Rassisten gegangen? So hörst du dich nämlich an«, rutscht es mir raus. Ihr fällt die Klappe runter. Das war’s dann wohl mit dem Zusammenreißen.
     
    Vor zwei Wochen, es war an einem Nachmittag, macht Dad plötzlich den Fernseher aus, einfach so, aus heiterem Himmel.
    Was ist denn jetzt los?! Es muss superwichtig sein, denn sonst läuft die Glotze bei uns praktisch rund um die Uhr.
    »Lexi-Schätzchen   …« Dad räuspert sich und reibt sich die Wange. Man hört die Bartstoppeln kratzen. Wenn er mich »Schätzchen« nennt, folgt meistens etwas Unangenehmes. Ich warte ab und beobachte ihn argwöhnisch. Mein Dad ist eine Nummer für sich. Früher mal hat er krumme Dinger gedreht und Ärger mit den Bullen gehabt, aber damit ist es vorbei, behauptet er. Er ist ziemlich jähzornig, aber immerhin ist er, anders als gewisse andere Leute, bei Devlin und mir geblieben.
    Jetzt dreht er sich im Sessel um und räuspert sich noch einmal. »Ich muss was mit dir besprechen, Lexi.« Er sieht angespannt aus. Was hat er diesmal ausgefressen?
    »Wenn es wegen dem College ist, kannst du dich auf den Kopf stellen. Ich gehe auf jeden Fall weiter zur Schule!« |15| Ich funkle ihn an. »Ich kann mir ja abends was dazuverdienen.«
    »Es geht nicht ums College. Ich bin stolz drauf, dass du aufs College willst. Hab ich dir das je verboten?« Er sieht mich vorwurfsvoll an.
    »Nicht direkt, aber du hast mir andauernd erzählt, dass du selber mit sechzehn schon Geld verdienen musstest.«
    »Lexi   …«, unterbricht er mich. »Es geht nicht ums College. Es geht darum, dass   …«
    »Was?« Inzwischen platze ich vor Neugier. Ich habe Dad noch nie so zerknirscht gesehen. Er reibt sich die ganze Zeit
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