Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verfolgt

Verfolgt

Titel: Verfolgt
Autoren: Ally Kennen
Vom Netzwerk:
sind zu, alle Vorhänge geschlossen, aber ich bilde mir ein, dass hinter jedem Vorhang ein Nachbar steht und mich beobachtet. Das würde gut zu diesem Kaff passen. Meine Mutter wohnt in der Sozialsiedlung am Stadtrand von Bewlea, im letzten Haus der Straße, Nummer achtundfünfzig.
    »Tyson!«, rufe ich noch einmal pflichtbewusst und schlinge die Arme um mich, weil mir kalt ist. Wo steckt |23| das Vieh bloß? Ich bin genervt. Jetzt habe ich am ersten Abend hier schon etwas verbockt. Kann ich wissen, dass der blöde Köter gleich wegrennt? Hinter dem Ort liegt ein großer Wald. Riesengroß. Wenn Tyson irgendwo dort unterwegs ist, finde ich ihn nie wieder. Ich seufze. Meine Mutter rastet aus, wenn ihr Hund weg ist. Vielleicht unterstellt sie mir sogar, ich hätte ihn absichtlich laufen lassen. Ich schaue zum Vollmond hoch. Dad behauptet, bei Vollmond werden alle ein bisschen verrückt. Er behauptet, dass Schwangere bei Vollmond ihre Babys kriegen und dass mehr Polizeistreifen unterwegs sind als sonst. Weil so viele Leute durchdrehen und Blödsinn anstellen.
    Ich höre gedämpfte Schritte und drehe mich schnell um. Eine dunkle Gestalt springt aus einem Vorgarten und rennt die Straße runter. Ein großer Hund rennt nebenher.
    »TYSON!«, brülle ich und flitze los. Im Schein einer Straßenlaterne erkenne ich, dass es sich bei der Gestalt um einen Typen mit langen Haaren handelt. Er hat es ausgesprochen eilig und ein Hund, der Hund von meiner Mutter, läuft hinter ihm her.
    »HEY!«, brülle ich. »Das ist mein Hund!« Der Mann dreht sich nach mir um, bleibt aber nicht stehen. Ich stolpere hinter den beiden her. Auf dem rauen Straßenbelag tun mir die Füße weh. Der Hund springt so vergnügt herum, dass ich schon Zweifel bekomme, ob es überhaupt Tyson ist.
    »Hey!«
    Die Gestalt hechtet über die hohe Mauer am Ende der |24| Sackgasse, der Hund springt mit einem Satz hinterher. Dann sind die beiden verschwunden und ich stehe allein auf der leeren Straße. Selbst mit Turnschuhen hätte ich sie nicht mehr eingeholt. Der Typ sollte sich bei den Olympischen Spielen bewerben. Ich betrachte die Mauer. Er ist mühelos drübergesprungen. Also ist in diesem Kaff doch etwas los! Ich fürchte mich nicht vor Einbrechern. Mein Bruder Devlin ist selber ein Langfinger, schon seit er sieben ist. Meine Füße frieren allmählich ab. Ich kehre lieber wieder um. Soll ich, Gott bewahre, die Bullen verständigen? Allerdings bin ich nicht hundertprozentig sicher, dass der Hund wirklich Tyson war, dafür war er schon zu weit weg. Und so ausgelassen, wie er herumgesprungen ist   … das passt überhaupt nicht zu Tyson.
    Ich bleibe wach, bis meine Mutter wiederkommt, und halte alle zehn Minuten im Vorgarten nach Tyson Ausschau, aber meine Mutter kommt erst um zwölf und bis dahin bin ich fix und fertig. Owen kommt sogar noch später. Meine Mutter macht ein verdutztes Gesicht, als sie mich auf dem Sofa liegen sieht.
    »Tyson hat mich gebissen!«, sage ich. Sie hat noch nicht mal die Jacke ausgezogen.
    »Wie bitte?«
    »Und ich glaube, er ist weggelaufen. Ich war draußen und hab ihn gerufen, aber ich habe ihn seit sieben nicht mehr gesehen. Könnte sein, dass ihn jemand entführt hat.« So. Jetzt ist es raus. Jetzt kann es nur besser werden. Meine Mutter sieht mich ungläubig an, dann gibt sie sich |25| einen Ruck und knöpft die Jacke wieder bis unters Kinn zu. Sie geht vor die Tür und ruft Tyson. Nach zwanzig Minuten kommt sie wieder rein, ohne Hund.
    »Man darf NICHT OHNE LEINE mit ihm raus!«, sagt sie. Ihre Augen sind ganz rund vor Sorge.
    »Tut mir leid, das hab ich nicht gewusst. Als er mich gebissen hat, hab ich mich nicht mehr an ihn rangetraut. Guck mal!« Ich zeige ihr den Bissabdruck, aber sie schaut gar nicht richtig hin.
    »Ach, Lexi!«, sagt sie und verzieht das Gesicht und ich fühle mich richtig, richtig mies.
    »Doch, ich glaube echt, jemand hat ihn entführt«, sage ich. »So ein schmuddeliger, langhaariger Typ. Der ist mit Tyson die Straße runtergerannt, ich hab ihn gesehen.«
    »Bist du sicher, dass es Tyson war?«
    »Es war schon dunkel, aber ich glaube schon.«
    »Ich glaube, du schwindelst mich an.« Ihre Miene wird streng. »Ich glaube, du hast Tyson absichtlich laufen lassen und erfindest das mit dem Dieb bloß, um dich rauszureden.«
    »Quatsch.« Es nützt nichts. Sie hat sich auf mich eingeschossen. Ich beobachte ihren Mund und lasse alles, was sie sagt, von mir abprallen. Trotz der Fünf-Stunden-Schicht ist ihr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher