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Verflucht, gehängt und doch lebendig

Verflucht, gehängt und doch lebendig

Titel: Verflucht, gehängt und doch lebendig
Autoren: Jason Dark
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wirkten die Erlebnisse seines Berufslebens noch in ihm nach.
    Immer wieder kamen sie in ihm hoch.
    All die Gefangenen, all die Hinrichtungen, er konnte sie einfach nicht vergessen. Die Jahre hatten sich zu einem Film zusammengefaßt, der immer wiederkehrte, ob er es nun wollte oder nicht.
    Fletcher ging daran kaputt. Er wußte es. Aber er tat nichts dagegen. Er hatte sich in sein Schicksal ergeben und versuchte, das Beste daraus zu machen. Da er schon immer gern ein Glas getrunken hatte, war der Alkohol für ihn der einzige Tröster, denn seine Frau hatte ihn verlassen.
    Sie war zur Tochter nach Exeter gezogen, die dort wohnte und selbst eine kleine Familie hatte.
    So blieb Fletcher allein in der Wohnung zurück. Eigentlich war es ja ein Haus, das ihm vom Staat zur Verfügung gestellt worden war. Wegen seiner geringen Größe nannte er es nur die Wohnung.
    Geld genug besaß er. Da hatte sich der Staat großzügig gezeigt. Satt wurde er immer, und das eine oder andere Bier konnte er sich auch leisten. Sogar den Whisky dazu.
    An diesem Tag hatte das Wetter mal wieder verrückt gespielt. Eigentlich hätte die Sonne scheinen müssen, denn dafür war der Sommer geschaffen worden, aber die trüben Regentage reihten sich aneinander.
    Mit dem Regen kam die Feuchtigkeit und natürlich der Nebel.
    Bei diesem Wetter jagte man keinen Hund nach draußen. Zwar war Fletcher kein Hund, aber er verließ sein Haus trotzdem, weil er nicht in den feuchten Buden hängen wollte. Die Kneipe lag nicht weit entfernt, sogar im Schatten der Kirche, was ihn aber auch nicht störte, denn mit dem Pfarrer verstand er sich gut. Der Mann begriff, was ihn quälte, denn er war früher Gefängnisseelsorger gewesen. Schon als junger Mann war er hierher nach Dartmoor gekommen und hatte später die Stelle behalten.
    Es war noch nicht dunkel, aber im Nebel verschwammen die Konturen.
    Da sahen die Häuser aus, als wollten sie einfach verschwinden oder in andere Welten eintauchen. Wenn Autos fuhren, waren sie kaum zu hören, und das heisere Kläffen eines Hundes wurde stark verfremdet, auch wenn sich das Tier nur wenige Schritte von ihm entfernt befand.
    »Halt die Schnauze«, murmelte Fletcher.
    Viel hatte sich in den Jahren nicht verändert. Sein Gesicht sah noch immer aus, als wäre es aus Stein gehauen worden, nur hatte es jetzt mehr Falten bekommen. Unregelmäßige. Von einem Messer gezeichnet.
    Seine Lippen waren blaß geworden. Die dünne Haut am Hals wirkte lappig. Die Augen blickten müde. Aber die Erinnerung steckte noch in ihm, und die würde auch an diesem Abend nicht verschwinden, das spürte Fletcher mit einer Vorahnung, auf die er sich schon immer hatte verlassen können. Da war es besser, wenn er nicht allein blieb und nach Zerstreuung suchte.
    Die Glotze bot ihm das nicht. Sie konnte ihn zwar etwas ablenken, aber nicht gedanklich, dazu brauchte er die Unterhaltung, das Gespräch, in das er sich auch gedanklich einbringen konnte.
    Er empfand die Luft als kalt. Den Kragen der Jacke hatte er deshalb hochgestellt.
    Die Kirche war kaum zu sehen. Sie schien sich im dichten Dunst zu verstecken. Ein Auto überholte Fletcher. Laute Musik erreichte seine Ohren.
    In den Kneipen und Geschäften brannten die Lampen, als wäre es schon dunkle Nacht. Dabei war der Abend kaum angebrochen. Fletcher ging und fror weiter. Es war selbst für ihn ungewöhnlich. In seinen Knochen steckte auch keine Krankheit. Dieses Frieren mußte einen anderen Grund haben, den er aber nicht kannte. Es hing mit seiner Psyche zusammen, mit einer Ahnung, daß irgend etwas passieren könnte oder zu ihm auf dem Weg war.
    Um den Pub zu erreichen, mußte er die Straße überqueren. Ein Radfahrer hätte ihm beinahe die Zehen abgefahren. Fletcher fluchte hinter dem Kerl her, der noch lachte. Dann ging er.
    Im Moment war die Straße leer. Er sah keine Lichter.
    Keine Busse mit Besuchern, das Wetter war einfach zu schlecht.
    Mitten auf der Straße blieb Fletcher stehen. Jemand kam. Er kam ihm entgegen. Es wies auch nichts darauf hin, als wollte der andere ihm ausweichen, und Fletcher war seit der Entdeckung so geschockt, daß er sich ebenfalls nicht mehr bewegte.
    Die fremde Gestalt schälte sich immer deutlicher hervor. Sie war größer als er. Sie trug eine graue Jacke, eine weite Hose, das konnte Fletcher sehen, und dann saugte er pfeifend die Luft ein.
    Zwei dunkle Augen.
    Ein Gesicht, das so bleich war.
    Er kannte es. Er erinnerte sich an die Augen, an die runden
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