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Verflucht, gehängt und doch lebendig

Verflucht, gehängt und doch lebendig

Titel: Verflucht, gehängt und doch lebendig
Autoren: Jason Dark
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auf, gähnte, schüttelte den Kopf und schaute hoch, als ihn Fletcher fragte: »Bist du bereit?«
    »Wofür?«
    »Um in den Tod zu gehen.«
    »Ach so, ja. Klar, ich bin bereit. Aber gehe ich wirklich in den Tod? Gehe ich…?«
    »Steh auf!«
    Darkman erhob sich. Er hustete noch. Dann bewegte er seinen Kopf, als wollte er die restliche Müdigkeit abschütteln. Wieder mußte er gähnen.
    Er tat es lang und intensiv.
    Die Männer, die auf ihn warteten, schwiegen und wunderten sich. So hatte noch nie jemand reagiert. Als Fletcher mit den Handschellen klimperte, schüttelte Darkman den Kopf. »Die brauche ich nicht. Ich werde freiwillig mitkommen.«
    »Es ist aber Vorschrift.«
    »Dann tu es!«
    Seine Hände wurden auf dem Rücken gefesselt, und auch das ließ Darkman mit sich geschehen. Er dachte überhaupt nicht daran, sich zu wehren, aber die Brille behielt er auf.
    »Hast du noch einen letzten Wunsch, wo du schon auf die Henkersmahlzeit verzichtet hast?«
    »Den habe ich.«
    Fletcher war so überrascht, daß er keine Antwort geben konnte, und so sprach Darkman weiter. »Ich möchte meine dunkle Brille aufbehalten.«
    »Meinetwegen. Man wird dir sowieso eine Kapuze über den Kopf streifen. Aber was ist so wichtig?«
    »Mein Problem.«
    Fletcher grinste. »Ich könnte sie dir jetzt abnehmen, Darkman.«
    »Ja, könntest du. Aber es wäre nicht gut für dich, Fletcher, nicht gut.«
    Er hatte die Antwort gegeben, und Fletcher ließ sein Vorhaben sausen.
    Da hatte ein bestimmter Klang in der Stimme des Delinquenten gelegen, der ihm nicht gefallen wollte. Er jagte ihm sogar etwas Furcht ein, und so besann sich Fletcher wieder auf seine eigentlichen Aufgaben.
    »Abführen!« befahl er seinen Leuten.
    Sie nahmen Darkman in die Mitte. Zwei gingen vor, dann kam er, zwei bildeten die Nachhut.
    So verließen sie die Zelle und führten ihn nicht nach rechts, sondern diesmal nach links. Das war der Weg in den Tod. Die Straße der Tränen wurde sie auch genannt, denn sie hatte schon einiges erlebt. Tobende, schreiende Männer, die allesamt ihre Menschlichkeit verloren hatten und zu Tieren wurden oder zu Wesen, die sich auf einer noch früheren Entwicklungsstufe befanden.
    Sechs Todeszellen gab es in diesem Trakt. Drei auf jeder Seite des Ganges. Keine war jetzt mehr belegt, und Fletcher wußte auch nicht, wann der nächste Kandidat eingeliefert wurde.
    Auf dieser Strecke roch es immer. Zumeist nach Desinfektionsmitteln, die andere Gerüche überdecken sollten. Bei vielen öffneten sich die Schließmuskel, andere übergaben sich, wieder andere konnten nicht mehr allein gehen, doch das alles traf auf Darkman nicht zu. Er hielt sich aufrecht. Nicht ein Schweißtropfen lag auf seiner Stirn. Darkman sah aus wie jemand, den das alles nicht berührte.
    Damit kam Fletcher nicht zurecht. Er hatte die Führung der kleinen Eskorte übernommen. Er selbst schwitzte. Unter den Armen war er naß geworden. Er konnte nicht begreifen, daß einem Menschen sein eigenes Leben so wenig wert war. Daß er auf den Tod mit solcher Gelassenheit wartete.
    Da war einiges nicht normal. Bei diesem Mörder stimmte nichts.
    Abgesehen davon, daß er zahlreiche Menschenleben auf dem Gewissen hatte, so mußte auch alles andere bei ihm nicht mehr den Regeln entsprechen. Bei ihm waren keine Gefühle vorhanden.
    Fletcher dachte auch über die ungewöhnliche Bitte nach. Der Delinquent wollte die Brille mit den dunklen Gläsern aufbehalten. Ein seltsamer Wunsch. So etwas hatte der Wärter in seiner nicht eben kurzen Laufbahn auch noch nicht erlebt. Verkehrte Welt, dachte er.
    Am Ende des Flurs befand sich die Eisentür. Sie war das Tor ins Jenseits. So jedenfalls war sie vom Personal genannt worden. Wer dieses Tor durchschritten hatte, für den gab es kein Zurück mehr.
    Fletcher schloß auf.
    Im Gegensatz zum Gang, der hinter ihm lag, war der Raum vor ihm schon eine Halle.
    Er war zweigeteilt, und das kalte Licht der Lampen verteilte sich auf beide Hälften. Rechts konnten die Zuschauer sitzen. Man hatte harte Holzstühle zusammengestellt, damit sie Bankreihen bildeten. Dort saßen die offiziellen Vertreter des Staates, die bei jeder Hinrichtung anwesend sein mußten. Aber es war auch genügend Platz für Zuschauer vorhanden, und an diesem Tag waren alle Stühle besetzt. In den umliegenden Dörfern hatte sich die Hinrichtung herumgesprochen. Viele wollten den Unhold sterben sehen.
    Nur wenige hatten Plätze erhalten, aber es gab auch einige junge Menschen, die dort saßen,
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