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Verflucht, gehängt und doch lebendig

Verflucht, gehängt und doch lebendig

Titel: Verflucht, gehängt und doch lebendig
Autoren: Jason Dark
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damit rechnet, daß eine kalte Klauenhand seinen Nacken umklammert.
    Das geschah nicht. Es gab keinen Menschen, der ihn verfolgte. Er hörte keine Schritte hinter sich, keine Stimme, kein Atmen oder Schnaufen. Er war allein.
    Diesmal tat es ihm gut. Er konnte sogar lächeln, als er das Licht des Pubs sah. Auch vor dessen Fenstern wallte der Dunst entlang. Schleier, die einfach nicht abreißen wollten. Es gab keine Lücken. Jeder Schleier ging in den anderen über, als sollte so eine endlose Kette gebildet werden.
    Die Tür war geschlossen. Nur bei schönem Wetter stand sie offen, aber jetzt sah es aus wie im Spätherbst, und auch die Temperaturen lagen kaum über zehn Grad Celsius.
    An diesem Abend war der Gastraum ziemlich leer. Keine Touristen, wenig Einheimische, und Mcintosh, der Wirt, begrüßte den neuen Gast besonders freundlich.
    »Wie immer?«
    Fletcher blieb an der Theke stehen. »Fast wie immer«, sagte er. »Gib mir noch einen Gin.«
    »Wird gemacht.«
    Dean Fletcher ging weiter. Sein Ziel war der ovale Stammtisch, wo er immer jemanden fand, mit dem er reden konnte. Zwar hätte er sich auch an einen anderen Tisch setzen können, doch mit den fremden Paaren wollte er sich nicht unterhalten.
    Er atmete auf, als er den Pfarrer sah. Der saß allein, aber nicht am Stammtisch, sondern daneben, wo nur wenig Licht hinfiel. Wollte er sich dort verstecken?
    Das spärliche Licht kam Fletcher sehr entgegen. Er sah, daß der Pfarrer sein mit Käse belegtes Brot so gut wie gegessen hatte. Nun würde er bestimmt nicht stören.
    »Darf ich, George?«
    Der Geistliche schaute hoch. »Ah, du bist es.«
    »Wer sonst?«
    »Setz dich.«
    »Ich will aber nicht stören.«
    »Unsinn, du störst nicht.« Der Pfarrer taxierte seinen neuen Gast, während der sich niederließ. Hancock merkte sofort, daß mit Fletcher etwas nicht stimmte, aber er sagte zunächst nichts, aß sein Brot auf und schaute dann zu, wie der dürre Mcintosh die beiden Getränke brachte.
    Fletcher griff nach dem Gin. Seine Finger zitterten. Auch das bemerkte der Pfarrer. Er wischte mit der Papierserviette seine Lippen ab. Auch er war älter geworden. Das Haar hatte die dunkle Farbe verloren und lag jetzt dünn und schütter auf seinem Kopf. Normalerweise mußte er eine Brille tragen, an diesem Abend jedoch hatte er darauf verzichtet. Auch die Gesichtshaut hatte Falten bekommen, aber die Augen blickten noch immer so klar wie früher.
    Als Fletcher nach seinem Glas griff, umfaßte auch der Pfarrer das seine.
    Die Männer prosteten sich zu, aber keiner von ihnen formulierte einen Trinkspruch.
    Fletcher leerte das Glas in einem Zug. Dann stellte er es ab und schüttelte sich.
    »Das hat gutgetan, nicht?«
    »Und wie, George. Es mußte sein. Wie auch der Gin.«
    Der Geistliche putzte seine Nase. Nachdem das Tuch wieder in seiner Tasche verschwunden war, sagte er: »Ich will mich ja nicht in deine Angelegenheiten einmischen, Dean, aber ich werde den Eindruck nicht los, daß es dir nicht besonders gutgeht.«
    »Da hast du recht.«
    »Gut oder nicht gut? Willst du mit mir darüber reden?«
    »Deshalb bin ich ja hier.«
    »Oh – du hat mich gesucht?«
    »So ist es.«
    Der Geistliche lächelte.
    »Kann man da schon von einer Beichte außerhalb des Friedhofs sprechen?«
    Fletcher hatte für kleine Scherze keinen Sinn. Sein Gesicht blieb ernst.
    »Keine Beichte, George, sondern etwas anderes, mit dem ich nicht zurechtkomme.«
    »Sag es.«
    »Weißt du, weißt du…« Er beugte sich vor und senkte seine Stimme.
    »Weißt du, wen ich auf dem Weg hierher und im Nebel gesehen habe?«
    »Ja.«
    Fletcher blieb die Luft weg. »Du, du – weißt es?«
    »Das sagte ich schon.«
    »Wer ist es denn?«
    George Hancock ließ sich Zeit mit der Antwort, als wollte er nach Worten suchen. »Ist auch egal«, sagte er dann. »Es war Darkman, den ich gesehen habe…«
    Dean Fletcher saß auf seinem Stuhl, ohne sich um einen Millimeter zu bewegen. Plötzlich paßte auch der Körper zu seinem steinernen und grauen Gesichtsausdruck. Er blickte den Pfarrer an und glaubte, ihn durch eine Nebelbank zu sehen.
    George Hancock nickte.
    »Scheiße«, flüsterte Fletcher nach einer Weile. »Du hast ihn auch gesehen?«
    »Ja«
    »Wo?«
    »Nicht weit von hier. Man kann sagen, daß er sich im Schatten der Kirchturmmauer herumgetrieben hat.«
    »Mehr nicht? Weiter, weiter…«
    »Er ging an mir vorbei.«
    »Hat er dich angefaßt?« Die Frage kam wie aus der Pistole geschossen.
    »Nein, das nicht, aber ich
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