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Verfehlung: Thriller (German Edition)

Verfehlung: Thriller (German Edition)

Titel: Verfehlung: Thriller (German Edition)
Autoren: GJ Moffat
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auch nicht tun. Wir müssen uns immer doppelt absichern, bevor wir alles in die Wege leiten. Wir wollen doch nicht, dass der Gerichtsmediziner einen Schock erleidet, wenn das Opfer zu sich kommt und fragt, warum ihm ein Thermometer im Hintern steckt, nicht wahr?«
    Rebecca Irvine hatte bei Sharp das Gefühl, dass er sich an seinen rhetorischen Fragen geradezu ergötzte. Er trat aufs Haus zu, sie folgte ihm und hielt den Kopf gesenkt, als sie an dem Polizisten am Eingang vorbeikamen.
    Es roch stark nach Blut, sogar in dem engen Vorraum hinter der Tür. Vom Eingang aus führte eine Treppe hinauf zu einem kleinen Absatz, von dem das Badezimmer abging, und dann spindelförmig wieder ins Erdgeschoss zurück, wo der Flur zur Linken der Treppe vermutlich in das Esszimmer und zur Küche im hinteren Teil des Hauses führte. Die Wände waren weiß und beige gestrichen, und der Boden bestand aus alten abgeschliffenen und lackierten Parkettdielen.
    »Folgen Sie mir«, sagte Sharp und öffnete die Tür zum Wohnzimmer.
    Die weibliche Leiche lag auf der Seite; die Arme bildeten einen Halbkreis um ihren Kopf, ihre Beine waren dicht an den Körper herangezogen – beinahe wie bei einem Fötus. Rebecca vermutete, dass sich die Frau mit der Haltung vor den Attacken ihres Angreifers hatte schützen wollen, aber offenbar ohne Erfolg.
    Sharp bückte sich und fühlte nach ihrem Puls. Dann blickte er sich um und bestätigte, dass die Frau tot war. Er erhob sich und sah sich in dem Zimmer um, bevor er Rebecca wieder in die kalte Morgenluft hinausschob.
    »Was ist Ihnen aufgefallen?«, fragte er, als sie beide draußen standen.
    »Sieht aus, als hätte sie sich schützen wollen, den Angriff abwehren.«
    »Aber das hat ihr nicht viel genützt, was?«
    Er wandte sich von ihr ab, ging zum Gatter und trat auf die Straße. Sie blieb in der Kälte stehen und fühlte sich noch kleiner als ihre eins fünfundsechzig. Schon bereute sie es, dass sie sich am Wochenende das Haar zu einem Bubikopf schneiden und sich blonde Strähnen hatte färben lassen. Sie fand, dass die Frisur sie zu jung für ihren Job aussehen ließ, jetzt wirkte sie eher wie dreizehn, nicht wie einunddreißig.

6
    08:20 Uhr
     
    Er brauchte definitiv einen weiteren Kaffee, also holte sich Logan Nachschub aus einem Schnellrestaurant in der Straße, in der er wohnte. Er nippte daran, als er um die Ecke bog und den Hügel hinauf zum Blythswood Square erklomm, an dessen Westseite sich die Büroräume von Kennedy Boyd befanden. Die Innenstadt von Glasgow erinnerte ihn mit ihren steilen Straßen oft an San Francisco – allerdings ohne den Glamour und den Mythos der amerikanischen Westküstenstadt.
    Von der südöstlichen Ecke des Platzes sah er hinter dem kleinen Park, der dessen Mitte bildete, schon Cahill vor dem Eingang auf ihn warten. Man konnte es hier gut aushalten, vor allem im Sommer, wenn die Büroangestellten aus der Umgebung sich mit ihren Sandwiches auf dem Rasen zu einem improvisierten Picknick versammelten. Heute jedoch wirkte der kahle Park kalt und trist inmitten der viktorianischen Bürogebäude.
    Cahill wandte sich ihm zu und grinste breit, als er Logan mit dem Kaffeebecher, aus dem es weiß dampfte, in der einen und seiner abgewetzten Aktenmappe in der anderen Hand angeschlurft kommen sah. Logan benutzte die Mappe nur noch deshalb, weil sie ein Geschenk seiner Mutter zu seinem Examen gewesen war und es die gute Frau fast an den Rand eines Zusammenbruchs gebracht hatte, als sie deren Nachfolgerin aus Vinyl erblickte, die Logan sich im vergangenen Jahr gekauft hatte. Sie wurde nie müde, ihn daran zu erinnern, wie teuer die Ledermappe gewesen sei
und wie wenig Geld sie und sein Vater verdienten. Logan war in einer Sozialbausiedlung in Ayrshire aufgewachsen, wo er und sein älterer Bruder sich noch als Teenager ein Etagenbett hatten teilen müssen, und er war der Erste seiner weit verzweigten Familie gewesen, der eine Universität besucht hatte.
    »Wie läuft’s denn so, Atticus?«, rief Cahill ihm entgegen.
    Logan beschleunigte seinen Schritt. »Du kannst es dir einfach nicht verkneifen, was?«, entgegnete er.
    Alex Cahill war ein glühender Verehrer von Wer die Nachtigall stört, und als er mitbekam, dass der Nachname seines Anwalts Finch lautete, musste er darauf natürlich sofort mit Bemerkungen Bezug nehmen. Auch Logan betrachtete das Buch als einen seiner persönlichen Klassiker und schätzte es außerordentlich – weit mehr als den Spitznamen, den Cahill ihm
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