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Verdammt wenig Leben

Verdammt wenig Leben

Titel: Verdammt wenig Leben
Autoren: Ana Alonso , Javier Pelegrin
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aber«, erwiderte sie schroff. »Hör auf zu behaupten, du hättest mich geliebt. Das ist nicht wahr, auch wenn du das denkst. Du bist in eine andere verliebt, und zwar schon immer: in Minerva. Du lebst für sie; du willst ihr alles recht machen, sie soll stolz auf dich sein. Deine Gedanken kreisen nur darum, wie du ihr gefallen könntest. Für eine andere Frau ist in deinem Leben gar kein Platz. Und das Schlimmste ist, dass du das nicht einmal merkst.«
    Geschickt rückte Alice auf dem Sofa nach links und stand auf, ehe Jason sie daran hindern konnte.
    »Am meisten tut mir leid«, sprach sie weiter, während sie ruhig auf eine Kommode an der gegenüberliegenden Wand zuging, »dass du die Szene morgen im Hotel kaputt gemacht hast. Sie wäre großartig geworden. Clarissa in Tränen aufgelöst, du am Boden verblutend wie ein Held. Der Regisseur hat mir gesagt, er würde für die Nahaufnahmen eine ganz neue Kamerageneration einsetzen. Die Sendung sollte in vielerlei Hinsicht ein Highlight werden.«
    »Na klar«, erwiderte Jason bissig. »Bloß schade, dass der Hauptdarsteller nicht auftauchen wird …«
    Er verstummte, als er in Alice’ Hand den Revolver entdeckte. Sie hatte ihn direkt auf seinen Kopf gerichtet. Offenbar hatte sie ihn aus der obersten Kommodenschublade gezogen, während sie weiter gesprochen hatte. Ihre Bewegungen waren so beiläufig gewesen, dass er gar nicht darauf geachtet hatte, was sie tat.
    »Ja, wirklich ein Jammer, dass du es kaputt gemacht hast«, sagte Alice noch einmal und sah ihn ernst an. »Jetzt musst du außerhalb der Sendung sterben. Wir werden es mit ein paar Heimkameras aufnehmen, aber das ist natürlich nicht dasselbe. Der Produzent will das Material bestimmt trotzdem für eine nachgeschobene Sendung benutzen.«
    Jason sah an die Decke und bemerkte, dass die Lämpchen an den fest in den Ecken installierten Mikrokameras leuchteten. Sie wurden gefilmt! Alles, was von nun an passierte, würde aufgezeichnet werden. Na schön; wenn er sterben musste, würde er dabei zumindest die Wahrheit in alle Himmelsrichtungen schreien. Kein Produzent der Welt würde es wagen, seine Worte zu senden. Das würde seine Rache sein, seine Strafe für Alice.
    »Du weißt, warum ich sterben muss, oder?«, fragte er in ruhigem Ton. »Sie wollen mich dafür bestrafen, dass ich die Wahrheit herausgefunden habe. Sie wissen, dass ich nicht schweigen werde, dass ich nicht einfach tatenlos zusehen kann. Jeden Tag sterben Leute vor laufender Kamera, und alle glauben, es sind Unfälle, zufällige Tode. Aber das ist eine Lüge. Es ist alles geplant. Jeder einzelne dieser Todesfälle wurde sorgfältig eingefädelt, um die Quoten in die Höhe zu treiben. Es gehört mit zur Show … Es ist völlig abartig.«
    Jason hatte sich so in seine Wut hineingesteigert, dass er den Revolver und die Gefahr, in der er schwebte, ganz vergessen hatte. Er wollte nur noch einen überzeugenden Helden geben. Diese Rolle hatte er noch nie spielen dürfen und er wollte es gut machen. Den Zuschauern sollten die Haare zu Berge stehen, sie sollten diese letzte Szene mit ihm nie vergessen können.
    Doch Alice war nicht bereit, auf sein Spiel einzusteigen.
    »Hör auf mit dem Theater.« In ihrer Stimme schwang eine Verachtung mit, die Jason wehtat. »Niemand wird deine schönen Worte hören. Sie werden die Szene mit deiner eigenen Stimme synchronisieren, und du wirst beim Sterben sagen, was deine Drehbuchautoren dir in den Mund legen. Die Einzige, die diesen Schwachsinn mitkriegt, bin ich. Also hör auf, dich lächerlich zu machen.«
    Jason schluckte, fuhr aber unbeirrbar fort.
    »Ich werde nicht aufhören zu reden, selbst wenn mich außer dir niemand hören kann. Ich werde nicht aufhören, bis du mich tötest. Mag sein, dass ich mich lächerlich mache, Alice, aber was ist mit dir? Du bist im Begriff, den einzigen Menschen zu töten, der dich je geliebt hat. Und dann? Wie willst du weiterleben? Sie werden dir einen neuen Freund suchen, sie werden dich zwingen, mit ihm zu schlafen, und jeder einzelne deiner Tage wird genauso unecht sein wie bisher. Nichts wird sich ändern. Nichts.«
    Sie sah ihm in die Augen. In ihren Pupillen flackerte ein seltsames, verzweifeltes Feuer.
    »Etwas wird sich sehr wohl ändern«, sagte sie und erwiderte fest seinen Blick. »Der Neue wird mir zumindest nicht einreden wollen, dass er mich liebt. Das macht es erträglicher. Und weniger grausam.«
    Der Revolver war nach wie vor auf Jasons Stirn gerichtet, aber keiner
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