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Verdammt wenig Leben

Verdammt wenig Leben

Titel: Verdammt wenig Leben
Autoren: Ana Alonso , Javier Pelegrin
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an Alice: die Möbel, die alten Papierbücher, die gewagten Wandmalereien … Auf einem Sofa lag ein braunes Wollkleid, das warm und bequem aussah. Das hatte er nie an ihr gesehen; wahrscheinlich trug sie es nur zu Hause. Er vermutete, dass sie es hastig ausgezogen hatte, bevor sie zu seiner Verfolgung aufgebrochen war, und nicht mehr dazu gekommen war, es aufzuhängen.
    Noch mit der VIP-Card in der Hand, mit der er sich Zutritt verschafft hatte, ließ er sich auf Alice’ Sofa fallen, griff nach dem Kleid und rieb sein Gesicht daran, um die sanfte Berührung des Stoffs zu spüren. Es roch nach ihrem frischen und etwas herben Parfum. Er drückte das Kleid an die Brust und in seinem Hals bildete sich ein Kloß, der ihn fast zu ersticken drohte. Er verspürte den Impuls, wegzulaufen, auf die Straße zu rennen und zu schreien. Nein, er konnte nicht kaltblütig diese Wohnung durchsuchen. Jeder Gegenstand, jedes Detail des Mobiliars erinnerte ihn an Alice’ ernstes, argloses Gesicht, an ihre ein wenig schwermütige Sanftheit und die angeborene Eleganz, die sie beim Gehen ausstrahlte.
    Verzweifelt vergrub er das Gesicht in den Händen. Er hatte genug von der ganzen Sache. Hätte Minerva ihm doch nicht die Augen geöffnet; hätte sie ihm die verdammten Drehbücher nie geschickt! Oder wenn er ihr wenigstens nicht geglaubt hätte! Aber etwas sagte ihm, dass das Drehbuch echt war, dass Alice ihn verraten würde und dass er das im Grunde schon immer gewusst hatte. Natürlich nicht, dass sie versuchen würde, ihn umzubringen. Er hätte sie nie für fähig gehalten, so weit zu gehen. Aber er wusste sehr wohl, dass er ihr nicht trauen konnte. Alice hasste ihn insgeheim, weil er sie zu einer Marionette im Dienst der Einschaltquote seiner Sendung gemacht hatte und sie ihm das nie verzeihen würde.
    Als er etwas Metallisches an seinem Arm spürte, hob er erschrocken den Kopf. Es war ein Hausroboter, der entfernt an eine Katze erinnerte. Ohne nachzudenken, packte Jason ihn und schleuderte ihn an die Wand. Als der Apparat auf den Boden fiel, sprühte er noch ein paar Funken, die bald erloschen. Dann trat Stille ein, durchdringende Stille. Durch die Fensterscheiben fiel kalt und blau das letzte Abendlicht herein und bevölkerte das Apartment mit langen Schatten.
    Eine ganze Weile starrte Jason zerstreut in den dämmrigen Raum, bis das orangefarbene Licht der Straßenbeleuchtung ihn irgendwann dazu brachte, zum Fenster zu blicken. Er wusste nicht, wie lange er so dagesessen hatte, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Als er aufstand, waren seine Beine eingeschlafen und kribbelten. Verwirrt blickte er sich um. Irgendetwas hatte er hier gewollt … Was nur? Ach ja, er musste Alice’ Überwachungsequipment finden und herausbekommen, für wen sie arbeitete. Am besten suchte er auch nach der Pistole und den Kugeln, mit der sie am nächsten Tag auf ihn schießen sollte. Es war unwahrscheinlich, dass sie die Waffe mitgenommen hatte, denn sie konnte bei den automatischen Straßenkontrollen registriert werden. Wenn ihre Geldgeber allerdings mächtig genug waren, wären die Kontrollen kein Problem. Alles hing davon ab, wer seine schützende Hand über sie hielt. Es musste sich um einen Produzenten handeln, vielleicht ihr eigener oder ein Konkurrenzunternehmen, jedenfalls jemand mit genügend Einfluss, um jede polizeiliche oder bürokratische Hürde zu nehmen, die sich ihm in den Weg stellte.



Jason raffte sich auf und ging zum Einbauschrank am anderen Ende des Raums. Darin verbarg sich eine kleine Küche mit ein paar Regalen für Geschirr und einem Einbaukühlschrank. Auf der Arbeitsfläche aus Marmorimitat waren noch Mehlreste zu sehen, in der Spüle lag eine leere Konservendose. Jason schloss den Schrank schnell wieder. Absurderweise schämte er sich, als wäre er daran schuld, dass Alice’ Apartment so bescheiden war. Nicht im Traum hätte er gedacht, dass sie so lebte. Jasons Wohnung musste ihr dagegen wie ein Palast vorkommen.
    An der gegenüberliegenden Wand, hinter dem Sofa (das sie nachts wahrscheinlich zu einem Bett auszog), stand ein Schrank mit rot lackierten Türen. Es waren Schiebetüren, um Platz zu sparen. Jason wollte sie gerade öffnen, als er hinter sich ein Geräusch hörte.
    Er drehte sich um und sah Alice in der offenen Wohnungstür lehnen. Sie trug einen weißen Mantel und ein gemustertes Kopftuch. Nachdenklich folgte ihr Blick Jasons Bewegungen. Allzu überrascht wirkte sie nicht.
    Jason ging auf sie zu. Es
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