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Verdammt wenig Leben

Verdammt wenig Leben

Titel: Verdammt wenig Leben
Autoren: Ana Alonso , Javier Pelegrin
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ein Ersatzpaar, von dem er nicht mehr wusste, wo er es aufbewahrte. Er wollte bei Alice keinen Verdacht erregen, falls sie ihn in diesem Moment beobachtete.
    Schließlich fand er zwei Mikrokameras im Schlafzimmer und eine weitere im Wohnzimmer. Als er ganz sicher war, dass das alles war, schlug er zu. Innerhalb von Sekunden hatte er alle drei abgenommen und zerlegt. Wütend warf er sie auf den Boden und trampelte darauf herum. Er beruhigte sich erst wieder, als er die winzigen Teile wie tote Ameisen auf dem Parkett kleben sah, und vertiefte sich eine ganze Weile in den Anblick des stummen Technikschrotts. Seine Augen loderten kalt vor Hass, aber es war auch ein wenig Zufriedenheit darin zu entdecken, weil er endlich begriffen hatte. Jetzt war er einen Schritt weiter.



Er wollte nichts überstürzen, war sich aber bewusst, dass schnelles Handeln angesagt war. Er musste Alice zuvorkommen, ihr durfte keine Zeit zum Nachdenken bleiben. In wenigen Minuten legte er sich einen Plan zurecht. Er wollte Alice’ Wohnung durchsuchen, um zu begreifen, was sie im Schilde führte. Aber dazu musste er sie überlisten, sie unter irgendeinem Vorwand aus der Stadt locken.
    Er rief Paul an. Nach kurzer Wartezeit schwebte das Hologramm seines Agenten vor ihm. Er wirkte verwirrt und schläfrig.
    »Was gibt’s, Jason? Irgendein Problem?«, begrüßte er ihn unwillig.
    Jason zwang sich, sein unbekümmertstes Lächeln aufzusetzen.
    »Nein, nein«, sagte er. »Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich in das Hotel am Strand fahre. Du weißt schon, wo die Szene mit Clarissa gefilmt wird.«
    Paul blinzelte, während er Jasons Worte zu begreifen versuchte.
    »Wieso das denn?«, knurrte er. »Der Dreh ist doch erst morgen!«
    »So kann ich mich schon mal auf den Ort einstellen. Ich will, dass alles perfekt läuft, nicht so wie gestern Abend mit Alice.«
    Paul schob sich die Brille auf der Nase zurecht.
    »Musst du wissen«, sagte er. »Der Drehort ist freigegeben, du wirst also keine Probleme haben, hinzukommen. Jedenfalls danke, dass du Bescheid gesagt hast.«
    Als sie sich verabschiedet hatten, ging Jason ins Schlafzimmer zurück, um sich anzuziehen. Inzwischen bereute er es, die Kameras zerstört zu haben. Das war unklug gewesen. Wenn er sie an Ort und Stelle gelassen hätte, hätte er Alice damit hinters Licht führen können.
    Aber das konnte er trotzdem tun. An seinem Gleiter war ein GPS-Empfänger angebracht: Damit würde er Alice auf die falsche Fährte locken. Er ging in die Garage hinunter, stieg in das Fahrzeug und gab die Koordinaten des Strandhotels in den GPS-Browser ein. Erst im letzten Moment, bevor der Gleiter startete, sprang er hinaus und sah zu, wie die Maschine davonbrauste. Anstatt in die Wohnung zurückzukehren, benutzte er den Notausgang und ging direkt auf die Straße.
    Er war es nicht gewohnt, sich zu Fuß durch die Stadt zu bewegen. Durch seine VIP-Card brauchte er keine Angst vor Razzien und überraschenden Kontrollen zu haben, aber er wollte trotzdem so wenig wie möglich auffallen. Deshalb mied er die breiten Vergnügungsboulevards und bog in das Netz von Seitenstraßen für Fußgänger ein, wo er sich möglichst im Schutz der überdachten Hauseingänge vorwärtsbewegte. Er begegnete zahlreichen Hausrobotern und einigen wenigen Menschen. Nur eine Frau sah ihn länger an, als sie an ihm vorbeiging, als würde sie ihn erkennen (vielleicht war sie eine Zuschauerin seiner Sendung). Die übrigen achteten nicht auf ihn.



Obwohl er nie bei Alice gewesen war, hatte er ihre Adresse in seinem Handy gespeichert. Sie wohnte nicht allzu weit von ihm entfernt. Nach einer Dreiviertelstunde hatte er das Gebäude erreicht, ein verspiegeltes Hochhaus mit Säulenreliefs aus synthetischem Rubin an den ungeraden Stockwerken. Er war sich ziemlich sicher, dass er Alice nicht zu Hause antreffen würde. Höchstwahrscheinlich war sie in diesem Moment schon auf der Straße Richtung Küste unterwegs und verfolgte Jasons leeren Gleiter. Er würde ihre Wohnung in aller Ruhe auf den Kopf stellen können. Und selbst wenn sein Plan nicht aufging, würde ihm das nicht allzu viel ausmachen. Im Grunde wünschte er sich sogar, Alice von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen und sie zu zwingen, ihm die ganze Wahrheit zu sagen.
    Doch kaum hatte er ihr Apartment betreten, war seine Wut verpufft. Die Wohnung bestand aus einem einzigen Raum, der allerdings ziemlich groß war und zur einen Seite hin eine große Glasfront hatte. Alles erinnerte ihn
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