Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager.
Autoren: Felicitas Hoppe
Vom Netzwerk:
ihr wirklich dort unten, ihr und der ganze Rest dieser Bande? Glaubt ihr, dem Putsch von der Schippe zu springen, nur weil ihr auf Elefantenjagd seid? Denn während ihr mit den Schilluks verhandelt, ist in Deutschland ein Vorgartenwind aufgekommen, die Jahreszahl lautet auf Achtundvierzig, ein großes Jahr und ein leises Dröhnen, von Stuttgart bis Braunschweig, eine Revolution. Doch am Morgen danach ist alles beim Alten, und über das Land legt sich eine Stille, die stiller ist als jedes Mondgebirge und stiller als eine Wüste aus Salz.
    Still wie die Stille in Amsterdam und die Stille bei Hagebuchers Zuhause, Beginn einer endlosen langen Stille. Denn der Steuerinspektor betet nicht mehr, Gott hat ihn erhört, und Frau Hagebucher muss nicht mehr weinen, es kommen keine Briefe ins Haus. Selbst die Kiste gerät in Vergessenheit, niemand steht mehr nachts auf, um sich vorzulesen, niemand möchte sich sagen, dass er noch lebt, und auch die Schürze hängt nicht mehr am Tor, die dort früher wie eine Fahne wehte, damit man uns schon von weitem erkennt.
    Nichts hängt an der Tür. Die Tür bleibt verschlossen. Und über alles legt sich ein Schweigen, das von Jahr zu Jahr größer und dichter wird. Als wäre das Leben ein einziger Winter, so liegt das ganze Land unter Schweigen, ein Schweigen, das lauter und lauter wird, bis man kein einziges Wort mehr vernimmt. Und wird trotzdem einmal ein Wort gesprochen, dann nur hinter vorgehaltener Hand, nicht draußen, nur drinnen, wo man das Klappern der Nadeln hört, hier und da leises Seufzen, verstreichende Zeit, manchmal ein Hüsteln, zwei Blicke, die sich auf dem Teppich begegnen, auf dem Wohnzimmerteppich einer Vorgartenstadt, und sich dort bei demselben Gedanken ertappen, bei einem Namen, den man besser nicht nennt, damit er in Frieden vergessen wird und allmählich verblasst, wie die Narbe von der Stirn bis zum Kinn. Und sollte er doch auf den Teppich fallen, dieser traurige, nutzlos erfundene Name, dann legt man erschrocken die Hand auf den Mund und flüstert leise: Verschollen!
    So schlägt man vor Ort sich selber in Fesseln, aber was geschieht auf der anderen Seite, jenseits der engen Enge von Suez, wo nach einem anderen kurzen und heftigen Dröhnen auf einmal dieselbe Stille herrscht? Denn in einer einzigen schlaflosen Nacht geht das Abenteuer zu Ende. Schluss mit dem süßen Glasperlenspiel, Ende der Elefantenjagd! Jetzt, deutsche Feder, wetzt man die Messer! Jetzt wird um deutsche Kleider gewürfelt, das Lagerfeuer wird ausgetreten, die Münder gestopft, damit endlich diese Geschichten verstummen, von ewigem Reichtum, Verheißung und Lust!
    Semibecco! Halber Schnabel, grüner Schnabel! Du hast Mund und Rucksack zu voll genommen, du hast den Bogen weit überspannt! Zwischen Dar Fur und Dschebel al Komri hat irgendjemand letzte Nacht die Geduld verloren und will nicht mehr länger Zuschauer sein, wenn du das Land von Elfenbein säuberst. Deine hiesige Kundschaft ist unruhig geworden, der Fetisch hat seinen Zauber verloren, Ende des deutschen Hampelmanns!
    Ein Bündel von Männern bricht durch den Busch, unrasierte und tiefschwarze Männer, immer voraus, kein Blick in den Spiegel! Da sind sie ja endlich, die Baggaraneger, von denen der Steuerinspektor nur träumt, und so hat er sie sich auch vorgestellt, im Bett, nachts betend, schreiend und brüllend und Keulen schwingend, mit Stricken aus Aloeund Palmbaumfasern, mit denen man jeden knebeln kann, der an Lagerfeuern den Mund zu voll nimmt!
    Und jetzt, lieber Gott, lass mich nur nicht im Stich und sorge für immer und ewig dafür, dass die Geschichte ihr Ende nimmt!
    Aber Gott ist ein Mann feiner Unterschiede.
    Die ganze Bande wird totgeschlagen, nur Semibecco spart man sich auf und Hagebucher, den Kammerdiener. Drei Tage hängt Semibecco am Spieß, weil das in Deutschland so üblich ist, die alte Regel der Baggaraneger, so will es die Fantasie deutscher Feder, nur Sonne und Durst, der Rest den Moskitos. Drei Tage lang, eine Ewigkeit, liegt Leonhard in derselben Sonne, die Augen durstig nach oben verdreht, und muss zusehen, wie Mollo den Schnabel aufreißt, erst lacht und dann schreit und dann weint, bis er sehr langsam in Stücke geht, um am Ende schließlich ganz zu verstummen, Kopf in den Wolken und Hirn hinterm Mond, die fallenden Augen im trüben Spiegel, als zöge noch einmal alles vorbei. Die sinnlose Reise, das kurze Leben. Das ganze Leben ein Abenteuer, nur eine Elefantenjagd, immer ein Lehrjahr, aus dem auch am
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher