Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbotene Gefuehle

Verbotene Gefuehle

Titel: Verbotene Gefuehle
Autoren: Doris Loesel
Vom Netzwerk:
feuchten Wimpern heraus aus.
„Komm her, Schwesterchen“, bittet er mich und ich setze mich neben ihn auf die Bettkante.
Beinahe ehrfürchtig greift er nach meiner Hand … der Hand.
„Ich wäre gestorben, wenn du das nicht gemacht hättest“, flüstert er, während sein Daumen meinen Handrücken streichelt, „ich hätte es niemals bis hierher geschafft, wenn du nicht gewesen wärst.“
„Aber du hättest gar nicht verletzt werden müssen“, rufe ich aus und will aufspringen.
Vic hindert mich mit mehr Kraft daran, als ich ihm in seiner jetzigen Lage zugetraut hätte.
„Die Kugel war für mich bestimmt, Vic!“, sage ich, wesentlich leiser jetzt. „Wir konnten nicht wissen, wie es funktioniert und ob es überhaupt funktioniert.“
„Nein, das konnten wir nicht“, gibt Vic zu, „aber ich habe es irgendwie geahnt, dass du es kannst.“
Ich hebe seufzend eine Augenbraue.
„Geahnt?“, kiekse ich. „Hast du noch alle Latten am Zaun? Du hast es geahnt? Vic, wo zur Hölle hattest du deinen Verstand geparkt?“
Es ist mir gelungen, mich von Vic zu lösen und ich marschiere wie ein wildes Tier auf dem Bettvorleger auf und ab.
Ein wildes Tier mit Rückenschmerzen.
„Überleg doch mal!“, fahre ich fort, „selbst wenn belegt gewesen wäre, dass ich die Kratzer auf Selenas Wange geheilt habe, was eindeutig nicht der Fall war, weil ich mit niemandem darüber gesprochen habe, du Verräter“, funkele ich ihn an.
Der Mistkerl hat noch nicht mal den Anstand, wenigstens schuldbewusst drein zu gucken.
„Selbst dann, Vic, war es die größte Dummheit, die du begehen konntest“, beende ich meinen Satz.
„Weißt du nicht mehr, was Phil gesagt hat, Vic? Unsere Fähigkeiten, wie auch immer sie letztendlich aussehen werden, werden erst mit Abschluss unseres 18. Lebensjahres völlig zutage treten. Und selbst dann werden sie noch nicht ausgereift sein.“
Ich rede mich total in Rage. Der Bettvorleger weist bereits eine Spurrille auf. Und ich bin noch nicht fertig.
Geflissentlich ignoriere ich weiterhin Vic, der resignierend seinen Mund wieder zuklappt.
„Was, wenn meine Fähigkeit nur darin gelegen hätte, kleinere Kratzer oder Wunden zu verschließen. Oder …“, ich fuchtele mit den Händen in der Luft herum, „oder keine sichtbaren Narben zu hinterlassen? Was weiß ich, Herrgott nochmal! Wir wissen gar nichts, Vic, gar nichts darüber, wie sich alles entwickeln wird. Ich stehe doch noch ganz am Anfang. Was, wenn …“
„Was, wenn es genau das war?“
Mein Bruder hat wohl genug von meiner Schimpftirade und fällt mir gnadenlos ins Wort.
Wie? Was?
Vics ruhiger Einwurf lässt mich in meiner Tirade innehalten.
„Wie meinst du das?“, frage ich tonlos.
„So, wie ich es gesagt habe, Kim“, antwortet Vic und sieht mich aufmerksam an. „Was, wenn es nur der Anfang war?“
„Das ist … nicht dein … Ernst“, stammele ich, als ich begreife, was er meint.
Eine tödliche Schussverletzung nur mit der Hand zu heilen … du lieber Himmel … was soll denn da noch nachkommen?
„Du meinst das tatsächlich so, hm?“
Alle Luft ist aus mir gewichen wie aus einem Ballon, als ich mich kraftlos neben Vic auf das Bett sinken lasse.
„Kim, Schwesterchen“, sagt Vic zärtlich und lässt es zu, dass ich mich an ihn kuschele, „glücklicherweise haben wir nicht die leiseste Ahnung, was wir eines Tages alles bewirken können. Ich weiß nur, dass es wichtig ist.“
Mein Bruder sieht so winzig aus in seinem Bett, so blass, und doch klingt eine unglaubliche Zuversicht in seiner Stimme, als er weiterspricht.
„Ich weigere mich, das in uns zu sehen, das Proctor mit Sicherheit ursprünglich im Sinn hatte, als er uns … nun ja, erschaffen hat.“
Er sieht mich mit einem schiefen Grinsen an, das jedoch seine Augen nicht erreicht.
„Wir werden nicht irgendwelche Freaks sein, die dieser Irre vor Augen hatte“, sagt Vic mit zusammengekniffenen Lippen. „Eines Tages, Kim, eines Tages wird die Menschheit soweit sein. Dann werden wir unsere Fähigkeiten nicht mehr verbergen müssen und die Menschen werden uns als das anerkennen, was wir sind … ihre einzige Hoffnung im Kampf gegen den Terror in der Welt.“

33)
    Z wei Wochen sind seit jenem Tag vergangen.
Vic ist wieder ganz gesund und verkündet uns strahlend, dass er gedenkt, von jetzt an zweimal im Jahr Geburtstag zu feiern. Renee quittiert seine Aussage schmollend, was ich durchaus nachvollziehen kann.
Geht ja mal gar nicht! Immerhin sind die beiden Zwillinge.
Und der Rest unserer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher