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Verborgene Macht

Verborgene Macht

Titel: Verborgene Macht
Autoren: Gabriella Poole
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und Keiko die nackte Essenz ihres Lebens ausgesogen hatten, war das gleiche Mädchen, von dem alle behaupteten, es habe ausgesehen wie Cassie. Bei dem Gedanken daran wurde ihr schwindelig. Okay, es könnte merkwürdig werden.
    »Cassie?« Ranjits Stimme holte sie zurück in die Wirklichkeit. »Wir sollten aufbrechen. Du siehst müde aus.«
    Ein Lächeln machte sein Gesicht noch schöner, und als er ihr sachte eine Hand auf die Schulter legte, wurde ihr abermals schwindelig — allerdings aus den richtigen Gründen.
    Das ist doch lächerlich, dachte sie. Du bist nicht Jessica. Es ist nicht dasselbe. Rede es dir nicht aus, bevor es überhaupt begonnen hat.
    Sie zwang sich zu einem Lächeln und stand auf. »Müde? Das wollen wir ja mal sehen. Wie wäre es mit einem Wettrennen. Wer als Erster bei der Akademie ist!«

KAPITEL 4
    Im Flur war es dunkel. Cassie rannte, getrieben von Verlangen. Auf der Suche nach etwas. Nach jemandem. Sie bog um die Ecke und traf erneut auf Dunkelheit. Nein, nicht Dunkelheit - zwei rotglühende Augen sahen sie an. Sie durchbrachen die Schwärze. Kamen auf sie zu. Nein. Sie selbst bewegte sich auf diese Augen zu ...
    Da ist er, Cassandra! Schnapp ihn dir. Nimm ihn. Er ist genau der Richtige für uns. Lass nicht zu, dass er es dir ausredet. Wir gehören zusammen. Wir brauchen ihn.
    Cassie streckte blind die Arme aus und griff in die Leere.
    Du willst doch nicht allein sein, oder, Cassandra? Greif zu. Pack ihn. Wir wollen nicht allein sein. Wir wollen sie beide. Du und ich, er und sein...
    »Ranjit?«
    Cassies Stimme war ein Knurren, das durch den leeren Raum hallte. Sie machte abermals einen Satz nach vorn und bekam etwas zu fassen. Schultern: vornübergebeugt, muskulös. Unter ihrer Berührung schien seine nackte Haut beinahe zu brennen. Seine Arme umschlangen sie und drückten sie so fest an sich, dass sie kaum mehr atmen konnte. Ihre Fingernägel bohrten sich wie Klauen in seinen Rücken..
    Ja, Cassandra. Lass ihn nicht los! Wir dürfen nicht loslassen!
    »Das werde ich nicht.«
    Das wirst du nicht. Das wirst du nicht? Aber du hast mich ausgesetzt! Warum hast du mich ausgesetzt, Cassie? Ein Teil von mir ist allein. Der Teil, den wir zurückgelassen haben.
    »Was? Ich bin hier! Estelle?«
    Du hast diese Leere gespürt, nicht wahr, meine Liebe? Nur für kurze Zeit, aber du hast sie gespürt. Stell dir vor, dort gefangen zu sein. Es ist nicht schön. Warum bist du so gemein? Arme, arme Estelle. Wirst du mich hier draußen lassen, Cassandra? Wirst du mich getrennt lassen? Uns getrennt lassen?
    WIE KONNTEST DU DAS TUN?!
    Zitternd schreckte Cassie aus dem Schlaf hoch. Schweißüberströmt warf sie die Decke beiseite, rang nach Luft und richtete sich auf, um sich mit den Fingern durchs Haar zu fahren. Es war noch immer dunkel: Von draußen schimmerte schwach die Straßenbeleuchtung herein.
    Es war ein Albtraum, mehr nicht. Cassie seufzte. Bei allem, was geschehen war, grenzte es an ein Wunder, dass sie nicht öfter schlimme Träume hatte. Sie lächelte schief. Manchmal kam es ihr vor, als sei jetzt ihr ganzes Leben ein einziger schlimmer Traum. Es wurde auch nicht da- durch besser, dass sie Estelle in ihrem Kopf hatte, die an ihrem Verstand herumpfuschte. Obwohl jetzt alles still war - vielleicht hatte der zornige Geist sich für den Augenblick ausgetobt und Cassie würde in Frieden schlafen können.
    Doch ihr Herz hämmerte weiterhin wie wild. Und es lag nicht nur an ihrer Angst. Sie spürte ein schreckliches Gefühl von Traurigkeit, Schuld und Bedauern in der Magengrube, das sie nicht unterdrücken konnte.
    Arme, arme Estelle...
    Cassie rieb sich die Schläfen und stöhnte lautlos, um Isabella nicht zu wecken. Ein Teil von ihr hatte tatsächlich Mitgefühl mit diesem Geist. Als das Ritual, das sie für immer aneinander hätte binden sollen, unterbrochen worden war, war ein Teil von Estelles Geist außerhalb von Cassies Körper gestrandet, abgetrennt vom Rest. Seither flehte Estelles Stimme Cassie an, diesen Rest hereinzulassen. Aber selbst wenn sie gewusst hätte, wie sie das anstellen konnte, war Cassie sich ganz und gar nicht sicher, ob sie das wollte. Bruchstückhafte Visionen von Estelles Vergangenheit ließen auf Stolz und Stärke schließen, ja, aber ebenfalls auf Bosheit, Grausamkeit und Egoismus. Wenn sie sich zur Gänze mit Estelle verband, wie konnte Cassie sich da sicher sein, dass sie nicht demselben Pfad folgen würde?
    Als sie nach dem Wasserglas auf ihrem Nachttisch tastete, stieß
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