Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verborgene Macht

Verborgene Macht

Titel: Verborgene Macht
Autoren: Gabriella Poole
Vom Netzwerk:
gluckste Patrick und schlüpfte zurück in den Speiseraum.
    Angesichts seiner Wortwahl zuckte Cassie innerlich zusammen. Sie verstand immer noch nicht, was die Auserwählten wirklich waren. Was Ranjit wirklich war. Götter und Ungeheuer, hatte er einmal verbittert gescherzt. Also, welches von beidem war er? Cassie wusste es nicht. Sie war sich nicht einmal sicher, ob er es wusste.
    Sie schob ihre Sorgen beiseite und presste das Telefon wie einen Rettungsanker ans Ohr. »Ranjit!«
    Ihr törichtes Grinsen kam bestimmt auch ohne Bildübertragung am anderen Ende der Leitung an.
    »Cassandra.« Seine sanfte, warme Stimme ließ sie den Schneeregen und für einen Moment sogar ihren wahnsinnigen Hunger vergessen. »Frohe Weihnachten.«
    »Dir auch.« Atemlos setzte sie sich auf die Treppe. Es war kriminell, wie sehr sie ihn vermisste. Kriminell und zutiefst lästig. »Wie schön, von dir zu hören.«
    »Geht es dir gut?« Er klang besorgt.
    »Bestens. Wirklich. Ich bin nur ein wenig...«
    »Der Hunger wächst, nicht wahr?«
    Cassie schwieg für einen Moment. Es war eine Erleichterung, mit jemandem zu sprechen, der wusste, was sie durchmachte. Ranjit war es genauso ergangen wie ihr.
    »Ja«, sagte sie schließlich und lachte zittrig. »Du hast es erfasst.«
    »Es wird nicht lange dauern, Cassandra. Anderthalb Wochen. Meinst du, du hältst bis dahin durch?«
    »Mir geht es gut. Ehrlich. Es ist nur...« Sie zögerte, dann ging sie das Wagnis der Wahrheit ein. »Ich vermisse dich. Sehr.«
    »Oh, Gott, ich dich auch.« Die Vehemenz in seiner Stimme schockierte sie. Der sonst kühle und gefasste Ranjit Singh klang beinahe erleichtert. »Ich vermisse dich und ich mache mir Sorgen um dich. Hast du, äh, noch mal von Estelle gehört?«
    Cassie schluckte. Außer Ranjit wusste niemand, dass der uralte Geist manchmal zu ihr sprach. So etwas war bei den Auserwählten bisher noch nie vorgekommen. »Ein- oder zweimal. Aber in letzter Zeit hat die alte Schachtel Ruhe gegeben. Ich hoffe, sie hat sich verkrochen und ist verhungert.«
    »Ich glaube nicht, dass das geschehen wird, Cassie.«
    »Ja. Ich weiß.«
    »Pass auf dich auf. Bitte.«
    Sie lächelte, sie konnte nicht anders. »Natürlich tue ich das. Bald sehen wir uns wieder.«
    »Es kann gar nicht bald genug sein.« Er lachte leise. »Hör mal, ich muss Schluss machen. Ich rufe dich wieder an, sobald ich kann.«
    Tränen brannten ihr in den Augen und sie hatte einen Kloß im Hals. »Auf Wiedersehen, Ranjit. Frohe Weihnachten.«
    »Dir auch. Noch mal.«
    Bevor sie anfing zu heulen, klappte Cassie das Handy zu. Dann vergrub sie das Gesicht in den Händen. Ach, das war doch lächerlich. Sonst war sie doch auch nicht unterzukriegen. Sie würde das durchstehen. Den Hunger nach Nahrung, den Hunger nach Ranjit...
    Hör auf. Hör auf.
    Das Problem war, dass sie vollkommen ausgehungert war. Besessen von einem verzweifelten, unbestimmten Hunger nach etwas, das mehr war als bloßes Essen. Doch sie konnte nichts weiter tun, als es auszuhalten, bis das neue Trimester begann.Vielleicht würde sie dann einige Antworten erhalten. Und vielleicht half das Warten. Verdammt, wenn man lange genug die Finger von Schokolade ließ, verlor man das Verlangen danach. Wenn man es ein paar Wochen ohne Zigaretten aushielt, brauchte man sie nicht länger.
    Genau, und falls du für eine Weile das Atmen aufgibst, wirst du keinen Sauerstoff mehr mögen!
    Cassie versteifte sich.
    Also, wirklich, meine Liebe. Wie sehr du mich doch erheiterst!
    Ignoriere sie, sagte Cassie sich. Ignoriere sie.
    Leichter gesagt als getan. Allein der Klang von Estelles Stimme in ihrem Kopf genügte und der Hunger überfiel sie mit erneuerter Wucht. Sie verlor das Gleichgewicht und kippte nach vorn.
    Sie hörte, wie eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Schritte. Eine Stimme ...
    »Cassie? Ist alles in Ordnung mit dir?« Patrick klang besorgt.
    Mit geballten Fäusten sprang sie auf die Beine. In Ordnung? Warum fragte er sie das immer wieder? Natürlich war alles in Ordnung! Der ständige Wirbel, den er um sie machte, ging ihr langsam wirklich auf die Nerven. Wenn er wusste, was gut für ihn war, sollte er sich besser raushalten.
    Nein! Wie konnte sie nur so etwas denken? Patrick bemühte sich nur um sie; er hatte so viel für sie getan.
    Estelles Flüstern war wie die Liebkosung einer Schlange. Und er könnte so viel mehr tun, meine Liebe.
    Unter Cassies ruhigem, fiebrigem Blick schien Patrick nervös zu werden. Ja. Estelle hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher