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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
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habe das Auto dabei, wir nehmen mein Auto«, schlägt Paul vor und eine Minute später sitzen wir zu viert in seinem schwarzen BMW und düsen in Richtung Klinik.
Dort angekommen wird Jackie sofort von einer Schwester in einen Rollstuhl gesetzt und zur Untersuchung gefahren. Bernd, Paul und ich sollen im Wartezimmer Platz nehmen. Der werdende Vater kann keinen Moment stillsitzen.
    »Was hat Jackie denn zu deinem Antrag gesagt?«, frage ich, um ihn ein wenig abzulenken.
    »Gar nichts, sie hat gar nichts gesagt«, ruft er aus und beginnt noch hektischer, im Kreis herumzurennen. Ich kriege einen richtigen Drehwurm, wenn ich ihm dabei zusehe. »Sie konnte ja nichts dazu sagen«, klärt er uns auf, »ich habe sie gefragt, und noch bevor sie auch nur den Mund aufmachen konnte, um zu antworten, kam die erste Wehe.«
    »Meinst du, das ist ein Statement von deinem Sohn«, grinse ich, aber Paul findet das gar nicht komisch.
    »Ausgerechnet. Hätte diese Wehe denn nicht zwanzig Sekunden später kommen können«, fragt Paul ungewöhnlich heftig.
    »Du wirst es nicht glauben, aber exakt das Gleiche habe ich mich heute auch schon gefragt«, stimme ich ihm zu und werfe Bernd einen vielsagenden Blick zu. Leider reagiert er überhaupt nicht auf mich, sondern wendet sich sofort wieder an Paul:
    »Ich hoffe, du hast heute anständig gegessen. Habe schon von vielen Männern gehört, die bei der Geburt umgekippt sind, weil sie nichts im Magen hatten.« Paul wird sehr blass.
    »Wieso?«, fragt er verständnislos.
    »Weil’s nicht der schönste Anblick ist«, erkläre ich ihm geduldig.
    »Ach ja, ich wollte ja bei der Geburt dabei sein«, erinnert sich Paul und stürzt los.
    »Moment«, pfeift Bernd ihn zurück. »Die werden dich schon holen, wenn es losgeht.«

    »Ach so, ja.« Damit setzt Paul sich nun doch endlich auf einen der braunen Plastikstühle und starrt vor sich hin. Mist! Er war doch schon fast draußen. Wieso hat Bernd ihn zurückgerufen. Unwillig schaue ich ihn von der Seite an, doch er guckt ganz unschuldig zurück. Schließlich betritt eine junge blonde Frau im weißen Kittel das Wartezimmer.
    »Herr Ernst«, fragt sie in die Runde und Pauls Kopf hebt sich mit einem Ruck. Er springt auf die Füße und schaut die Ärztin erwartungsvoll an:
    »Das bin ich, ja!«
    »Dr. Schwarz mein Name«, stellt sie sich vor und reicht ihm die Hand, »wie es aussieht, wird Ihre Frau in den nächsten Stunden entbinden. Sie wird bereits für die Geburt vorbereitet und in den Kreißsaal gebracht. Wenn Sie direkt mitkommen möchten?« Paul wirft Bernd einen fragenden Blick zu. Der nickt ihm ermutigend zu.
    »Ja, ich komme sofort mit.«
    »Sind Sie auch verwandt«, erkundigt sich die Ärztin.
    »Ich bin ihre Schwester«, gebe ich Auskunft.
    »Wollen Sie auch...?«, erkundigt sie sich, aber ich schüttele den Kopf.
    »Nein, nein, wir warten hier.«
    »So, wie es aussieht, wird es nicht allzu lange dauern.« Paul im Schlepptau verlässt Frau Dr. Schwarz das Wartezimmer und Bernd und ich sind allein. Ich starre auf meine Füße in den abgeschabten Halbschuhen und warte darauf, dass er etwas sagt. Tut er aber nicht.
    »Bernd?«, frage ich zaghaft.
    »Ja?«
    »Was ist denn nun?«
    »Was meinst du?« Ich schaue ihn an und bin mir sicher, dass er sich absichtlich dumm stellt.

    »Versuchst du’s mit mir?«, frage ich trotzdem.
    »Gib mir ein bisschen Zeit, okay?« Ein paar Sekunden sitzen wir schweigend nebeneinander.
    »Nein«, rufe ich plötzlich panisch, »ich kann dir keine Zeit geben.«
    »Wie bitte«, fragt er verblüfft.
    »Ich kann nicht. Wenn du Zeit zum Überlegen hast, dann wirst du mir sagen, dass es zwischen uns nichts werden kann und dass zu viel vorgefallen ist und dass du mich nicht liebst. Das will ich nicht.« Er sieht mich an. Seine rechte Augenbraue zieht sich auf die für ihn typische Art und Weise im Schneckentempo in die Höhe. Bevor er mir eine im besten Fall spöttische und im schlechtesten Fall vernichtende Antwort geben kann, springe ich plötzlich auf, rufe ihm ein »Warte hier, rühr dich nicht« zu und laufe aus dem Wartezimmer. Direkt gegenüber führt eine gläserne Tür zur gynäkologischen Abteilung. Ich gehe hindurch und laufe den Gang entlang. Neben den Zimmertüren hängen Schilder mit dem Namen der jeweiligen Patienten. Ganz hinten am Ende des Flures entdecke ich ein Zimmer ohne Namensschild und öffne vorsichtig die Türe. Leer. Ich renne den Gang entlang zurück zu Bernd, greife nach seiner Hand und sage:
    »Komm
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