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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
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Augenwinkel klebe, um die Form meiner Augen leicht anzuheben, lasse ich heute weg. Irgendwie sieht mein Blick dadurch aus wie der eines traurigen Hundes. Ich trete einen Schritt vom Spiegel zurück und nehme mich von Kopf bis Fuß in Augenschein. Irgendeine Stimme in mir hält die ganze Aktion für ausgemachten Blödsinn:
    »Du willst seine Liebe gewinnen, indem du in diesem Aufzug bei ihm auftauchst? Das ist doch lächerlich.« Ärgerlich versuche ich, den Kommentar zu ignorieren. Als hätte ich nicht genug mit einer inneren Stimme zu tun, die mir ständig reinquatscht. Sophia macht ein beleidigtes Gesicht.
    »Schon gut, du bist ja manchmal ganz nützlich«, sage ich beschwichtigend, und sie lächelt ein wenig. Zu meiner Unterstützung ist auch sie heute viel legerer gekleidet als sonst, hat das Nadelstreifenkostüm gegen Jeans und
Sommerbluse eingetauscht. Immerhin. Sie betrachtet mich von oben bis unten und nickt anerkennend:
    »Viel Glück«, sagt sie und verschwindet.
    »Danke«, rufe ich ihr hinterher und habe das Gefühl, dass ich sie so bald nicht wieder sehen werde.
     
    Das Herz klopft mir bis zum Hals, als ich eine knappe Stunde später in die Kastanienallee einbiege. Vor der Tür pralle ich fast mit Paul zusammen, der einen riesigen Strauß roter Rosen vor sich herträgt.
    »Oh, hallo, Paul«, begrüße ich ihn und möchte wegen meines Aufzuges am liebsten vor Scham im Erdboden versinken. Aber der Gute ist so mit sich selbst beschäftigt, dass er mich gar nicht richtig wahrzunehmen scheint.
    »Helen, hallo«, sagt er mit vor Aufregung zitternder Stimme.
    »Na, was hast du denn vor?«, erkundige ich mich, als ich seiner Klamotten ansichtig werde. Er hat sich nämlich richtig in Schale geschmissen und steht damit in noch deutlicherem Kontrast zu mir. Er trägt doch tatsächlich einen Frack. Wo er den wohl aufgetrieben hat?
    »Ich möchte Jackie heute fragen, ob sie mich heiraten will«, erklärt er mir gewichtig. Hab ich was verpasst.
    »Aber ihr seid doch schon verheiratet«, merke ich vorsichtig an. Das Glimmen in seinen Augen könnte durchaus auch ein Anzeichen von Wahnsinn sein, und da möchte ich ihn nicht unnötig reizen.
    »Kirchlich. Ich meine doch kirchlich.«
    »Ach. Ich denke, du warst strikt dagegen.«
    »Ja, ich weiß«, er lässt reumütig den Kopf hängen, »ich habe einfach zu wenig an Jackie gedacht, das muss ich heute leider zugeben. Bernd hat mir erzählt, wie ungeheuer wichtig ihr eine kirchliche Trauung gewesen wäre.
Und«, fügt er eifrig hinzu, »ich möchte alles tun, um sie glücklich zu machen.«
    »Bernd? Wann hast du denn mit dem gesprochen?«
    »Das letzte Mal heute Morgen«, erzählt Paul freimütig, »wir stehen in regelmäßigem telefonischen Kontakt. Er hilft mir sehr dabei, die Beziehung zu Jackie wieder aufleben zu lassen.« Mit offenem Mund sehe ich ihn an. »Er gibt mir Ratschläge, wie ich sie mit romantischen Dingen überraschen kann und so. Ich bin leider nicht so gut in so was«, sagt er bedauernd. Bernd spielt Amor. Ich bin total gerührt und liebe ihn gleich noch mal so sehr. Und bete, dass mein Plan aufgeht. »Aber ich werde immer besser. Ein netter Kerl, dieser Bernd. Am Anfang fand ich ihn ja etwas, nun ja …«
    »Unkonventionell«, werfe ich ein und er nickt zustimmend.
    »Genau. Aber jetzt habe ich gemerkt, dass man sich von Äußerlichkeiten nicht so täuschen lassen sollte.« Ich nicke heftig. »Ohne seinen Rat hätte ich gestern sicher nicht mit Jackie geschlafen«, fährt er fort und schlägt sich dann die Hand vor den Mund. Seine Indiskretion ist ihm sichtlich peinlich.
    »Sie ist deine Frau. Ich denke, es ist okay, wenn ihr Sex habt«, sage ich ironisch. »Wollen wir dann.«
    »Ja«, sagt er und drückt auf den Klingelknopf.
     
    Wir müssen einen komischen Anblick abgeben, wie wir da so die Treppe hinaufstolziert kommen. Der Rosenkavalier und die Vogelscheuche. Bernd steht in der Tür und sieht zunächst nur Paul, der vorneweg gegangen ist.
    »Sie ist in ihrem Zimmer«, sagt er leise. Paul nickt eifrig und schiebt sich an ihm vorbei. Dann fällt Bernds Blick auf mich und seine freundliche Miene verschließt sich. Aus
dem Augenwinkel beobachte ich, wie Paul schüchtern an Jackies Tür klopft.
    »Herein«, ruft sie. Derweil wandern Bernds Augen an mir herunter und dann wieder hinauf. Sein Gesicht nimmt einen überraschten, leicht amüsierten Ausdruck an:
    »Um Gottes willen, was ist denn mit dir passiert?« Wenigstens guckt er nicht mehr ganz so
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