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Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Titel: Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
Autoren: Melanie Meier
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Kopfschmerzen drängten alles beiseite, von den Träumen bis hin zur Müdigkeit. Wie ein blasser Dunst hingen sie über seinem Kopf und machten aus jedem Gedankengang eine Farce.
    Er schwang die Beine aus dem Bett, knipste die Nachttischlampe an und kämpfte gegen das Pochen hinter den Schläfen. Das war ja nicht mehr auszuhalten! Er war wirklich niemand, der bei jedem Zwacken zum Arzt lief, aber die Sache dauerte jetzt schon ein paar Monate an. Und allmählich hatte er es satt, ständig Tabletten zu fressen.
    Mit einem Prusten griff er nach der Schmerzmittelpackung, quetschte umständlich zwei Pillen aus dem Aluminiumüberzug und legte sie sich auf die Zunge. Mithilfe eines ausgiebigen Schluck Wassers spülte er sie hinunter.
    Anschließend saß er reglos auf der Bettkante, spähte zum gegenüberliegenden Fenster hinaus und beobachtete die Wolken, die vom starken Wind vorbeigetrieben wurden wie eine Schafherde. Allem Anschein nach hatte der orkanartige Herbstwind über Nacht nicht nachgelassen. Damit hatte er allerdings auch nicht gerechnet; der Wind ließ hier an der Küste nur selten nach.
    Sein Blick fand die Wanduhr. Zehn vor sechs. Eine Uhrzeit, zu der doch niemand freiwillig aufstand!
    Dennoch erhob er sich, schlüpfte in Jeans und Sweater und ging in die Küche. Er setzte Wasser für den Kaffee auf und wartete, bis dieser durchgelaufen war.
    Wenn er schon mal wach war, konnte er auch ebenso gut die Zeit nutzen.
    Er ging zurück zum Bett, bückte sich und zog darunter einen Karton hervor. Darin lagen stapelweise Unterlagen, hauptsächlich altes Schulmaterial. Ein Ordner allerdings gehörte nicht zum Lehrstoff, und den zog er jetzt heraus. Er legte ihn auf den Tisch und schaltete den Deckenfluter ein.
    Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er den Ordner schließlich aufschlug. Beinahe zärtlich strich er über die erste Seite. Man sah sowohl der Mappe als auch deren Inhalt an, dass er nicht zum ersten Mal darin las. Hätte man ihn gefragt, wie oft schon er genau so dagesessen und zu lesen begonnen hatte, könnte er keine konkrete Antwort geben. Fünfzig, sechzig Mal? Öfter? Die Tatsache, dass er einige Abschnitte aus dem Effeff aufsagen konnte, sprach für sich.
    Er nippte am Kaffee, ließ den Ordner sinken, lehnte sich im Stuhl zurück und dachte mit Befriedigung daran, dass er bisher alles richtig gemacht hatte. Bei den jeweiligen Entführungen (bei diesem Gedanken wurde das Lächeln breiter) waren ihm keine Fehler unterlaufen, beim Streuen der falschen Indizien ebenfalls nicht – und die Opfer befanden sich gut aufgehoben in einer völlig anderen Welt. Bald ist die Sache gelaufen, sagte er sich.
    Die Tabletten schlugen an. Urplötzlich waren die Kopfschmerzen verschwunden, begraben wie ein Feuer unter Sand, als hätte es sie nie gegeben.
    Lächelnd senkte er den Blick auf den Ordner, rutschte im Stuhl etwas hinunter, sodass er bequem saß, und begann, zu lesen:
    Kurz bevor er kam, sah er in ihre entflammten Augen und wünschte sich, er hätte nicht aufgesehen. Mit einem Schauer, der ihm rückwärts die Wirbelsäule hinunterkroch wie ein schwerbehindertes Frettchen, ergoss er sich in ihren Schoß ...

*
     
    Das taufeuchte Laub überzog den geschotterten Weg und erwies sich genauso rutschig wie Glatteis. Tim Jung versuchte, dort aufzutreten, wo sich die Blätter zumindest nicht häuften. Das minimierte die Gefahr, dass aus dem Joggen eine Rutschpartie wurde. Und natürlich musste er versuchen, im Rhythmus des Liedes zu bleiben. Das war absolut notwendig.
    Während er durch die Nase einatmete, blies er den Atem durch den Mund wieder aus. Immer und immer wieder. Die richtige Atemtechnik war beinahe ebenso wichtig wie im Rhythmus zu bleiben.
    Die Fantastischen Vier mit Buenos Dias Messias – lange nicht mehr gehört. Er konnte es nicht verhindern, mit dem Kopf ganz leicht im Takt zu wippen und lautlos mitzusingen. Das machte zwar das richtige Atmen umständlich, aber nicht unmöglich.
    Fast regelmäßig kam er an anderen Sportlern vorbei, die es auch nicht lassen konnte, so früh am Morgen eine Runde durch den Englischen Garten zu drehen. Die Meisten von ihnen kannte Tim inzwischen vom Sehen; manchen nickte er zu, andere bekamen ein Lächeln, wenige hielten den Blick starr nach vorne gerichtet.
    München war groß, und mit fast eineinhalb Millionen Einwohnern war die Wahrscheinlichkeit, dass man sich zufällig traf, gering. Aber wie viele dieser Bewohner joggten um sechs Uhr
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