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Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach
Autoren: P Besson
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hinterlassen?« Und dann war Billy wieder erschienen, in dem Sommer, als er achtzehn wurde. Er trug ein strahlendes Lächeln auf den Lippen und protzte mit einem nagelneuen Motorrad und Klamotten, die nicht zu seinem Müßiggang passten. Er hatte es nicht für nötig gehalten, diesen plötzlichen Reichtum zu erklären. Und sie hatten es vorgezogen, ihn nicht danach zu fragen. Nach zwei Stunden hatten sie sich wieder getrennt, er beruhigt, sie noch beunruhigter. Mütter erkennen unfehlbar das Unglück, dem ihre Söhne mit verhängten Zügeln entgegeneilen.
     
    Im folgenden Frühjahr war Billy wieder nach Pasadena gekommen. Diesmal ging es ihm nicht mehr so gut. Er bestand nur noch aus Haut und Knochen. Sein Gesicht war ausgemergelt, seine Arme abgemagert, und unter den Augen hatte er schwarze Ringe. Die Eltern haben ihm ihre Hilfe angeboten, er hat sie zum Teufel geschickt, er werde ohne sie zurechtkommen, »wie er es immer getan habe«. Am Ende standen sie mit ihrer Ohnmacht und ihrem Kummer vor dem Haus und sahen ihren Sohn in den Bus steigen, ohne zu begreifen, warum er zu ihnen gekommen war. Sie haben ihn nie wieder lebend zu Gesicht bekommen.
     
    Die Mutter beendete ihren Bericht mit den einfachen Worten, als spräche sie zu sich selbst: »Das war vielleicht seine Weise, sich von uns zu verabschieden. Selbst wenn er vorhatte, wieder auf die Beine zu kommen, sah ich doch genau, dass er auf der abschüssigen Bahn war, und das wusste er.« Sie, die den entstellten, leblosen Körper ihres Sohnes im Leichenschauhaus identifiziert hatte, schaute mich an: »Lieutenant, ahnt man, dass man sterben wird?« Ich habe nichts geantwortet.
     
    McGill hat die Eltern Billy Greenfields hinausbegleitet, und ich habe vermieden, mir über die chaotischen Existenzen Gedanken zu machen, die vorzeitig ums Leben kommen. Ich hatte mich mit Jack Bell verabredet.

 
    Es wäre wirklich schwer gewesen, den beiden auf mich gerichteten Kameras auszuweichen, als ich mich durch die Sprechanlage anmeldete, die in eine der geschmacklosen Säulen aus falschem Marmor eingelassen war, die das weiße Tor umrahmten. Ich habe nicht in das Objektiv gelächelt, nicht den Grund meines Besuchs genannt, man wusste ohnehin, wer ich war, man ließ mich wissen, dass man mich erwartete. Das Tor ging auf, ich ging rasch durch, und schon schloss es sich wieder. Ich hatte angenommen, eine menschliche Hand werde diese Aufgabe übernehmen. Ich hatte mir einen großen Wachhund mit schwarzer Brille vorgestellt. Ich sagte mir: Das ist Hollywood.
     
    Man musste eine mit Eukalyptus- und Orangenbäumen gesäumte Allee hinaufgehen. Der Garten war nicht groß, aber hübsch. Er hat meinen ersten Eindruck etwas verblassen lassen. Kein angeberischer Rennwagen verstellte den Weg. Ich war ziemlich froh, dass man mir eine solche Prahlerei ersparte. Aber diese Diskretion war vielleicht nur Zufall.
     
    Oben, am Ende der Allee, hinter den Bäumen, entdeckte ich das Haus. Ein stattlicher Wohnsitz, aber nicht übertrieben. Man war bei den Reichen, daran bestand kein Zweifel, aber nicht bei Emporkömmlingen, oder aber man verstandes, sich zu verstellen. Die Tür wurde geöffnet, und an Stelle eines Wachhunds erschien eine grau-weiß gekleidete, etwa fünfzigjährige Haushälterin mit einem freundlichen und müden Lächeln auf den Lippen. Ich hatte den Eindruck, sie spreche meinen Namen mit einem leicht puertoricanischen Akzent aus. Später hat sich herausgestellt, dass meine Ohren mich nicht getäuscht hatten.
     
    Ich betrat das Haus, die Haushälterin führte mich in einen Salon von beeindruckender Größe, bot mir etwas zu trinken an, was ich höflich ablehnte, und bat mich, mich zu gedulden, »Mr Bell wird gleich da sein«. Ich fragte mich, ob ich nicht ziemlich ähnlich wirkte wie Billy Greenfields Mutter, als sie durch die Tür meines Büros eingetreten war. Ohne mich von der Stelle zu bewegen, sah ich mich im Zimmer um: moderne Möbel, eher schmucklos, keine Vergoldung, kein Rokoko, kein großartiger Kronleuchter oder riesiger Kamin, keine überdimensionalen Gemälde oder nackte Skulpturen, nein, nur beige Sofas, ein Tisch mit polierter Glasplatte, frische Blumen in Vasen, die nicht überladen waren, und, natürlich, eine Wand von Fernsehschirmen.
     
    Hinter der Glasfront breitete sich eine Terrasse aus, die in einen Swimmingpool mündete. Ich sah ein junges, mageres rothaariges Mädchen in einem Badeanzug, das in einen Bademantel schlüpfte und verschwand. Ich habe mich an
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