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Venice Beach

Venice Beach

Titel: Venice Beach
Autoren: P Besson
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Resopalhocker, Klamotten am Boden, ein Fernsehgerät, Videokassetten, zum größten Teil mit Pornohüllen, an die Wände gepinnte, verwaschene Poster von nackten, muskulösen jungen Männern. Die Suche nach etwas, was nicht mit dem zusammenhing, was man schon vermutete, wäre vergeblich gewesen.
     
    Die Kollegen würden am Nachmittag vorbeikommen, um die Fingerabdrücke zu sichern. Wir beschränkten uns darauf, die Örtlichkeit in Augenschein zu nehmen. McGill wirkte ärgerlich. Er hatte offensichtlich gehofft, die Besichtigung würde uns wertvolle Hinweise, vielleicht eine wichtige Spur, liefern oder uns auf eine geniale Idee bringen, aber das war nicht der Fall. Hatte gehofft, der kleine Greenfield verberge ein Geheimnis, und wir könntenleicht dahinterkommen; wenn wir nur ein wenig in seinem Kalender blätterten, würde uns das direkt zu seinem Mörder führen. Aber die kleinen zwanzigjährigen Jungs haben ein ganz gewöhnliches Leben, selbst wenn es jämmerlich ist, und unwichtige Geheimnisse.
     
    Immerhin hat er mit seinem an Untersuchungen gewöhnten Auge ein kleines Heft entdeckt, das am Fußende des Bettes, fast völlig verdeckt von den zerknitterten Laken, herumlag. Er hat es hervorgeholt und rasch durchgeblättert, ehe er es mir reichte. Ich habe es meinerseits durchgeblättert und in die Tasche meiner Jacke gleiten lassen. Wir würden nichts Interessanteres mehr entdecken, wir mussten uns damit abfinden.
     
    Wir haben das Apartment verlassen. Während wir durch den Flur eilten, hörte man hinter einer Tür eine heftige Diskussion. Ein Paar beschimpfte sich gegenseitig auf Spanisch. Wir verlangsamten nicht einmal unsere Schritte. Die verpestete Luft der Gasse empfing uns beim Verlassen des Hauses. Die Concierge zog noch immer an einer Zigarette. Sie warf uns einen giftigen Blick zu. Wir haben sie respektvoll gegrüßt.

 
    Am Nachmittag des Verbrechens bin ich auf einen Sprung in die Bücherei gegangen. Ich wollte Laura küssen. Ich konnte unmöglich bis zum Abend damit warten, sie in die Arme zu nehmen. Ihre Worte gingen mir unablässig durch den Kopf: Sie hatte gespürt, wie sich das Baby in ihrem Bauch bewegte. Ich entdeckte sie zwischen zwei Regalreihen. Sie war damit beschäftigt, Bücher, die auf einem Rollwagen aufgestapelt waren, an ihren Platz zu stellen. Ich habe sie einige Zeit beobachtet, ehe ich mich bemerkbar machte. Ich habe Laura schon immer gern beobachtet, wenn sie es nicht merkte. Eine Frau, die nicht auf ihre Umgebung achtet, die sich von der Welt absondert, die sich nur auf ihr Tun konzentriert, ist etwas Schönes.
    Sie hat gelächelt, als sie mich schließlich am Ende des Ganges sah. Ihr Gesichtsausdruck ließ kein Erstaunen erkennen. Dabei war diese Art von Besuchen eher ungewöhnlich für mich. Die Wahrheit ist, dass sie mich gut kannte, sie ahnte, dass ich traurig war, bei den ersten Lebenszeichen des Kindes nicht dabei gewesen zu sein, und den Wunsch empfinden würde, diese Abwesenheit wiedergutzumachen, dieses Fehlen auszugleichen. Ohne es ihr erklären zu müssen, hat sie verstanden, dass ich nur auf einen Sprung vorbeikam, um sie zu umarmen, um mich zu vergewissern, dass es ihr gut ging, um ihren Bauch zu berühren. Und das habe ich gemacht.
     
    Sie hat mich nicht nach dem Gang meiner Untersuchung gefragt, sie ahnte, dass ich ihr zu gegebener Zeit davon erzählen würde. Sie hat meine Wange gestreichelt, zum Zeichen der Dankbarkeit und um ihre Anhänglichkeit ohne überschwängliche Worte zu erkennen zu geben. Wir waren Menschen, die nicht viele Worte machten. Ich habe sie ihren Büchern überlassen. Sie sagte: »Bis heute Abend.«
     
    Ich habe geschrieben:
Die Wahrheit ist, dass sie mich gut kannte.
Die Wahrheit ist, dass sie mich nicht ganz kannte. Selbst ich sollte noch einen Teil von mir entdecken, der bisher im Dunkeln lag.
     
    Auf dem Rückweg hielt ich vor einer Telefonzelle an und rief McGill an. Die Untersuchung nahm den vorhergesehenen Verlauf. Die Ergebnisse der Autopsie entsprachen unseren Vermutungen. Allerdings hatte der Gerichtsmediziner festgestellt, dass vor dem verhängnisvollen Schlag ein Kampf stattgefunden hatte. Die beiden, der Prostituierte und sein Mörder, hatten sich geprügelt, ehe der Engel der Länge nach auf den makellosen Rasen stürzte. Auf seiner Kleidung fanden sich, wie erwartet, zahlreiche Fingerabdrücke. Man setzte Nachforschungen in Gang, um festzustellen, ob es Übereinstimmungen mit Abdrücken von unseren alten Bekannten gab.
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