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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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leben würden, als mich Lisette stürmisch umarmte, um mit mir durch die Küche zu hopsen.
    Mein Traum zerplatzte in dem Moment, als mir klar wurde, dass ich Lisette nie allein lassen würde. Erst, wenn ich sie in den Händen eines guten Mannes wüsste, würde ich mich um mein Glück kümmern können. Meine gute Laune war dahin und ich verließ die Küche vor allen anderen.
     
    *
     
    »Das arme Kind! Ich finde es schrecklich, wenn Kinder schlecht behandelt werden. Na ja, das waren andere Zeiten!« Comitti hatte seine Lesebrille abgenommen, rieb sich über die Augen und trank einen Schluck von dem Rotwein, der bereits unangenehm warm geworden war.
    »Lieber Pater, Sie sind doch nicht wirklich der Meinung, dass Derartiges mit den Zeiten zu tun hat? Auch heute werden Kinder ausgenutzt und ausgebeutet.«
    »Ja, aber heute gibt es das Jugendamt und die Polizei. Es gibt Gesetze.«
    »Die alle gebrochen werden. Sie wissen doch, dass es in Indien kein Jugendamt gibt?«
    Der Spott ärgerte Comitti. »Natürlich. Ich denke doch nur, dass es heute mehr Möglichkeiten gibt, sich zu wehren und der Willkür eines Vaters zu entkommen.«
    »Ich behaupte, dass es immer noch so ist.« Ungerührt sah der Sicherheitschef dem alten Pater ins Gesicht. »Sie verschließen sich nur dem Gedanken, weil Sie sonst handeln müssten.«
    »Ja, man muss handeln. Ich finde es ungeheuerlich, wenn ich Berichte über solche vereinzelten Fälle in der Zeitung lese, aber was soll man machen? Wenn mir etwas in der Nachbarschaft auffallen würde, wäre ich sofort bereit, mich an das Jugendamt zu wenden. Aber in unserer Nachbarschaft kommt das natürlich nicht vor.«
    »Natürlich nicht.« Arconoskij lächelte. In der Vatikanstadt würde man kaum von Kindesmisshandlung zu hören bekommen. »Ich stimme Ihnen zu, Comitti. Ich entwickle schon seit langer Zeit einen Plan, wie man diese Gräuel abschaffen könnte.«
    Machte sich sein Gegenüber lustig über ihn? Comitti sah wütend auf. Er hatte eben einen Blick auf die nächste Manuskriptseite geworfen, um herauszufinden, was weiter geschah. Er wollte weiterlesen. Die Mädchen und auch der Junge taten ihm leid. Er verwarf Arconoskijs letzten Satz. Er wollte nicht über seine Weltverbesserungsvorschläge reden, er wollte lesen. »Wollen Sie nun hören, wie es mit den Kindern weitergeht, oder soll ich diesen Teil überspringen? Für die Sicherheit des Vatikans wird es nicht von Belang sein, ich könnte es also verstehen. Ich halte das Ganze übrigens für einen Schwindel.«
    »Einen unterhaltsamen Schwindel. Nein, nein, Pater lesen Sie weiter. Nur, wenn man die Jugend eines Menschen kennt, versteht man ihn. Ich finde, der Anfang gehört zum Ende einer Geschichte.«
    Er schenkte dem Pater erneut Wein ein, der diesen ignorierte. Comitti räusperte sich, setzte seine Lesebrille auf und las.
     
    *
     
    Nach ein paar Tagen kehrte der Graf gut gelaunt zurück. Seine Geschäfte in Bordeaux waren gut verlaufen. Zudem hatte er seinen alten Freund Rodriguez Almadar, einen Spanier, getroffen. Dieser quartierte sich samt seinem Gefolge bei uns ein. Wir hatten wieder alle Hände voll zu tun. Die Männer krakeelten und tranken, als ob es um ihr Leben ginge. Salvadors Stimme war kaum in der lärmenden Menge zu hören. Allerdings täuschte das. Kaum pausierte er, um einen Schluck zu trinken, wurde er aufgefordert, weiterzusingen. Ich für meinen Teil rannte und brachte Essen und Getränke. Der Wein strömte in Mengen. Wenn schon der Graf stets zu viel getrunken hatte und selten nüchtern anzutreffen war, hatte er nun seinen Meister gefunden. Almadar war älter als er. Sein von Alkohol gezeichnetes Gesicht war aufgeschwemmt. Die stark gerötete Nase hing wie eine Birne in seinem Gesicht, die Augen schwammen in tiefen Höhlen und waren blutunterlaufen. Das Haar oder das, was davon übrig war, hing ihm fettig über seinen speckigen Kragen. Man hätte nicht glauben wollen, dass er ein Edelmann war. Allein der Glanz seines Schmuckes, der reichlich an seinen Fingern prangte, ließ darauf schließen. Gerade spottete ich noch in Gedanken, dass es gut wäre, solch einen Edelmann im Vergleich zu unserem Herrn zu haben, da ließ mich der Graf schon rufen.
    »Bring Lisette und sieh zu, dass sie hübsch ist«, befahl er mir. Ich erstarrte und betete zu allen Heiligen, dass er nicht meinte, was ich vermutete.
    »Was stehst du herum und starrst wie ein Schaf, spute dich«, fuhr er mich an.
    Was blieb mir anderes übrig? Ich suchte nach
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