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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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Hand. Bei den Aufzeichnungen handelte es sich um einen circa zwei Zentimeter hohen Stapel DIN A4 Blätter.
    Unschlüssig sah er von der alten Kladde zu dem Stapel mit den Aufzeichnungen. Dann straffte er seine Schultern und hatte sich entschieden: Er würde die beigefügten Seiten lesen. Heute Nacht. Dann würde er einen Schriftgelehrten hinzuziehen, falls es nötig war. Wahrscheinlich war alles nur ein Schwindel, oder seine Mitbrüder wollten sich einen Scherz mit ihm erlauben. Andrea Comitti nahm die Kladde, legte den Blätterstapel dazu und schloss beides in seine braune Ledertasche. Den Ausgangskorb in der Rechten löschte er das Licht und begab sich zur Abendandacht.
    Er stieg die langen Treppen des Vatikans hinauf und versuchte, den Schmerz in seinen Knien zu ignorieren.

Rom, Vatikanstadt
    1. November 2012, nachts
     
     
     
    Das Erste, was ihm im Zimmer auffiel, war, dass es keinen Fernseher gab. Die kleine Zelle, die wohldurchdacht aufgeteilt war, enthielt allem Anschein nach vorwiegend Bücher. Er beugte sich über ein Werk, das auf dem Nachttisch lag, und las den Titel: Das Leben nach dem Tod . Neben dem Tisch stand ein sorgsam gemachtes Bett. Auch auf dem Tisch, der zwischen zwei gemütlich aussehenden Sesseln stand, stapelten sich Bücher. Teils waren sie aufgeschlagen, teils geschlossen. Er machte Licht, obwohl es nicht nötig gewesen wäre, und sah sich um. Die Wand zur Rechten beherrschte ein Bücherregal, das bis zur Decke reichte. Lächelnd neigte er den Kopf zur Seite und las die Titel. Viele religiöse Werke fand er, nach Titeln nicht nach Autoren geordnet, und, was er am interessantesten von allem fand, zwischen den philosophischen Texten befanden sich aktuelle Werke. Sie handelten von Vampiren, Scheintoten und unglaublichen Phänomenen. Schillers Wilhelm Tell stand nach einer Abhandlung über Werwölfe und vor Goethes Werther, Tolstois Krieg und Frieden gleich neben Interview mit einem Vampir . Wilhelm Buschs Hausbuch lehnte an einem Werk über den Holocaust. Die Bücherwand gefiel ihm. Auf dem Schreibtisch, der vor dem kleinen, offenen Fenster stand, entdeckte er den Grund seines Eindringens. Er betrachtete den Stapel loser Blätter und die Kladde, in der noch andere Schriftstücke lagen, und blätterte müßig darin herum. Es wäre ein Einfaches gewesen, sie an sich zu nehmen und der Sache keine weitere Beachtung zu schenken. Der Aufruhr und die Untersuchungen, die darauf erfolgt wären, brauchte er nicht zu fürchten. Doch er wollte es anders. Er setzte sich in den Sessel unter der Leselampe und wartete. Lächelnd fuhr er sich mit der linken Hand, die einen auffallenden Siegelring trug, über sein dünnes Oberlippenbärtchen.
    Sein gesamtes Erscheinungsbild war antiquiert, doch es wurde allgemein angenommen, dass es sich um eine Marotte handelte. Sein Auftreten war korrekt, seine Art entsprach einer Höflichkeit, die man heute nur noch selten antrifft, und sein Leumund war untadelig. Nicht umsonst war Michail Arconoskij zum Sicherheitschef des Vatikans gewählt worden. Er führte einen Stab von mehr als hundert Angestellten und machte seinen Job gut. Nichts geschah im Vatikan, was er nicht wusste. Kein Mensch betrat den Vatikan, ohne dass er es registrierte. Es gab kein Schriftstück und kein Päckchen, das abgegeben wurde, ohne dass er darüber Bescheid gewusst hätte. Selbst die geheimsten Gedanken der Würdenträger waren ihm bekannt.
    Endlich – es erschien ihm, als wären Stunden vergangen – hörte er, wie sich der Schlüssel in der Tür drehte. Er musterte den Eintretenden träge. Wie simpel die Menschen gestrickt sind , dachte Arconoskij und lächelte Pater Andrea Comitti besänftigend in sein rundes, gutmütiges Gesicht. Der Pater schrak zusammen, als er die dunkle Gestalt in seinem Raum bemerkte. Wie war dieser Mensch in sein Zimmer gekommen? Was wollte er von ihm? Diese und weitere, noch nicht fertig formulierte, Gedanken schossen dem kleinen, stämmigen Mann durch den Kopf, als er den Sicherheitschef in seinem Lieblingssessel sitzen sah.
    Bevor er etwas sagte, rief er sich zur Ordnung. Er war ein äußerst bedächtiger Mensch, der sich nicht leicht aus der Ruhe bringen ließ und einen klaren, analytischen Geist besaß.
    »Guten Abend Pater, ich hoffe, ich habe Sie durch mein eigenmächtiges Eindringen nicht allzu sehr aus der Fassung gebracht.« Michail Arconoskij blieb ungerührt sitzen und deutete lediglich eine knappe Verbeugung an, während ihn der Pater weiterhin
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