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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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verwirrt anstarrte.
    Natürlich konnte dieser Mensch mein Zimmer betreten , rief der Pater sich zur Ordnung, schließlich ist er der Sicherheitschef. Er wird einen Universalschlüssel besitzen. Unangenehm, der Gedanke. Unangenehmer Bursche. Wie hieß er noch mal? Pater Comitti kramte in seinen Erinnerungen, aber der Name wollte ihm nicht einfallen.
    »Michail Arconoskij«, antwortete der unerwünschte Besuch seinem Gedanken.
    Comitti, dessen Blick auf seiner Bücherwand geruht hatte, sah den Sicherheitschef an, als würde er ihn erst jetzt zur Kenntnis nehmen. Er hatte die unpraktische Angewohnheit sich so in einen Gedanken zu vertiefen, dass er schließlich nicht mehr wusste, warum er überhaupt mit diesem begonnen hatte und welches Ziel dieser verfolgte. Seine Erinnerung war zu dem Tag, an dem der neue Sicherheitschef vorgestellt wurde, gewandert. Zu dem Buch, das er damals gelesen hatte. Es war eine Art Gedächtnistraining für ihn, herauszufinden, welches Buch er zu welcher Zeit gelesen hatte. Nicht immer entsann er sich, aber in den meisten Fällen glückte es ihm. Wie jetzt. Ein glückliches Strahlen huschte über das runde Gesicht mit den klugen grauen Augen.
    Jeder andere hätte gedacht, das Lächeln würde ihm gelten. Arconoskij wusste es besser und schickte ihm ein ebenbürtiges Lächeln, das auch nicht sein Gegenüber meinte, sondern die Tatsache, dass dieser alte Mann ein Sonderling war.
    Arconoskij waren die Menschen gleich. Sie langweilten ihn. Diesen Pater, der ihn immer noch unverwandt ansah und bisher keinen Ton gesagt hatte, fand Arconoskij unterhaltsam. Ein Sonderling mit einem schlauen Kopf, auch wenn er jedem etwas anderes vormachen wollte.
    Arconoskij freute sich. Er freute sich auf geistreiche Gespräche, auf die Nacht und auf sein Gegenüber. Er machte eine einladende Geste, was in Anbetracht der Tatsache, dass es das Zimmer des Paters war, sowohl unangemessen als auch dreist war. Diese Situation hatte sich innerhalb von wenigen Sekunden entwickelt, und doch hatten sich die beiden Männer in dieser kurzen Weile gemessen und ihr Urteil gefällt.
    Andrea Comitti ließ sich ächzend auf seinen Besuchersessel nieder und rieb sich die schmerzenden Knie. Der November versprach feucht zu werden, das konnte er bereits vorhersagen. Das Beten hatte sein Übriges getan. Das Niederknien war ihm schon lange erlassen worden, doch er ließ es sich nicht nehmen. Wenn er schon nicht für seinen Glauben sterben durfte und es auch keine Veranlassung dazu gab, dann wollte er wenigstens ein wenig beim Gebet leiden. Besonders gern las er über Heilige und unter welchen Qualen sie für ihren Glauben gestorben waren. Manchmal betrübte es ihn, dass er ein so ruhiges Leben im Vatikan führte, sein Glaube gar nicht infrage gestellt wurde und er nie in eine Situation kommen würde, in der er sich wie die Heiligen zu seinem Glauben bekennen und dafür sterben durfte. Nervös sah er auf die Aufzeichnungen, die Arconoskij auf seinen Knien liegen hatte, und wieder in die blauen Augen, die ihn aufmerksam betrachteten.
    »Wie kann ich Ihnen helfen, Arconoskij?«, sagte er schließlich, um das Schweigen zu brechen.
    »Ich bin wegen dieser Aufzeichnungen, die Sie heute aus dem Archiv mitgenommen haben …«
    Weiter kam er nicht, da sich Comitti aufrechter als zuvor hinsetzte und abwehrend die Hände hob. »Ich habe es im Register verzeichnet. Das hat seine Ordnung.«
    »Aber darum geht es gar nicht, mein Freund.«
    Bei der Anrede mein Freund war Comitti wie unter einem Schlag zusammengezuckt. Er hasste es, auf diese Art angesprochen zu werden, als ob man schon seit Jahren vertraut wäre. Schließlich kannte er diesen unangenehmen Menschen erst seit wenigen Minuten. Er betrachtete den Sicherheitschef erneut, diesmal um herauszufinden, was diesen Mann unsympathisch für ihn machte. Still lächelnd ließ dieser die Begutachtung geschehen. Er trug einen tadellos geschnittenen, dreiteiligen Tweedanzug in Grau, eine blaue, seine Augenfarbe unterstreichende Krawatte und schwarze, auf Hochglanz polierte Stiefeletten. Selbstverständlich waren seine Schuhe auf Maß gearbeitet, genau wie seine Anzüge. Sein Antlitz war das fein geschnittene Gesicht eines Aristokraten. Der ruhige Stolz, Neider hätten sagen können, die Arroganz, die er ausstrahlte, war seines Gesichtsschnitts ebenbürtig. Seine blauen Augen waren von dichten, dunklen Wimpern umrahmt, seine feine Haut war ungesund blass, was seinen Bartwuchs und das schmale Bärtchen auf
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