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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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kann immer noch im Brunnen schwimmen«, sagte der Graf und ließ sich nachschenken.
    Salvador wurde mein Retter. Ich hatte davon geträumt, dass ein Prinz käme, um mich zu befreien. Jetzt verwoben sich mit ihm meine Fantasien, mein ganzes Denken. Ich wusste, es war ungebührlich, solche Gedanken zu hegen, aber er war mir eine Quelle der Freude und Kraft.
    Wenn der Graf das Wort an mich richtete, war es voller Gemeinheiten und voller Hass: »Wie konnte mir so ein Trampel zuteilwerden?«, sagte er oft. »Nicht den Sänger sollte man in den Brunnen werfen. Der Bursche weiß seine Aufgabe zu verrichten. Nein, sie sollte man in den Brunnen werfen!« Alles lachte. Ich stand gerade bei einer Gruppe von Treibern und schenkte Wein aus. Auf solch ehrlose Rede, die den Männern zeigte, wie wenig ich dem Grafen wert war, erfolgten des Öfteren Übergriffe. Ich schien nicht schön zu sein, das bestätigte mir der Graf mehrmals am Abend. Jedoch war das Männern, die genug getrunken hatten, egal. So musste ich mich ab dem Abend, an dem der Graf seine Gleichgültigkeit geäußert hatte, auch noch gegen freche Hände wehren. Den Mägden erging es nicht anders. Es war ein gottloses, sündiges Haus und mir standen oft die Tränen in den Augen. Es waren nicht nur die Tränen der Verzweiflung, oft genug auch die Tränen des Zorns.
    Es entwickelte sich, wie die Herren meinten, ein geistreicher Sport daraus, sich neue Scheußlichkeiten auszudenken, wie man mich verschwinden lassen könnte. Vorneweg und am lautesten schreiend mein Bruder, der dem Grafen gefallen wollte. Und er gefiel ihm. Er trank Wein, griff unter die Röcke der Mägde und ließ manche Zote verlauten.
    »Wir könnten sie in einer Weinpresse ganz platt quetschen, wie eine reife Traube und dann, flach wie sie ist, unter einem Teppich verschwinden lassen.« So lautete der neueste Einfall des kleinen Scheusals. Er war gerade mal acht Jahre alt. Die Männer grölten.
    »Ach, platt genug ist sie schon. Ich sollte sie an die Tür nageln lassen. Wenn der Steuereintreiber kommt, würde der vor Schreck umdrehen.«
    Dieser Art Reden gab es jeden Tag. Ich versuchte, wegzuhören. Wenn ich zum Sänger sah, der ungerührt seine Lieder zu diesen lästerlichen Reden sang, bemerkte ich, dass er mich, und nur mich, anlächelte und unmerklich den Kopf schüttelte.
     
    Es gab auch gute Zeiten: Der Graf musste verreisen und sich um seine Geschäfte kümmern. Die Gesellschaft löste sich auf und es wurde herrlich. Besonders für mich, als ich feststellte, dass Salvador nicht abgereist war. Als wir uns nach der Abendandacht in der Küche versammelten und noch ein wenig plauderten, trat Salvador zu uns und fragte, ob er für uns singen solle. Die Mägde waren begeistert. Ich auch, allerdings durfte ich das nicht zeigen. Lisette zupfte mich am Ärmel. »Darf er? Ja? Darf er?«
    Alle sahen mich bittend an.
    »Wenn er außer Trink- und Kriegsliedern auch andere kennt, so soll es mir recht sein«, antwortete ich. Er dürfte noch ganz andere Sachen , fügte ich im Stillen hinzu.
    Ich errötete und wandte mich ab. Doch kurz hatten sich unsere Blicke gekreuzt. Ich meinte, in Salvadors Blick zu lesen, dass er einen anderen Grund hatte, sich zu uns zu setzen.
    Das Gesinde feierte ein kleines Fest. Wir tanzten. Zuerst tanzten nur die Mägde mit den Burschen, dann konnte Lisette ihre zierlichen Füßchen nicht mehr stillhalten und hopste durch die Küche. Wie hätte ich ihr das verbieten können? Ich freute mich, ihr Gesicht ohne Angst zu sehen und konnte erahnen, wie schön sie als Frau werden würde. Aber noch war sie ein Kind, das übermütig in der Küche tanzte und sich ausschüttete vor Lachen über den Koch, der sich für sie merkwürdig verrenkte. Jeder sah ihrer kindlichen Freude zu. Jeder außer Salvador. Als ich den Blick wandte, bemerkte ich, dass er mich ansah und sonst niemanden. Sein Blick ließ mich erröten und ich war Lisette nicht undankbar, als sie mich ungestüm vom Schemel zog, damit ich mit ihr tanzte. Inzwischen hatten alle in Salvadors Lied eingestimmt und bildeten einen Kreis um ihn. Ehe ich mich versah, legte Salvador seine Laute zur Seite und seinen Arm um mich, tanzte mit uns anderen und lächelte mir zu. Ein Feuer schien von seinem Arm auszugehen. Mir wurde bald schwindlig. Dass es nicht an den Drehungen lag, war mir klar. Ich träumte bereits davon, wie ich mit Salvador den Hof verlassen würde, dass der Graf keine Einwände erheben würde und wie wir glücklich und frei
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