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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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Lisette, die ich nichts ahnend in unserem Zimmer vorfand.
    »Wollen wir in die Kapelle?«, fragte sie mich. Ich schüttelte den Kopf.
    »Komm«, war alles, was ich zu ihr sagen konnte. Was sich der alte Teufel ausgedacht hatte, ließ mich noch immer keinen klaren Gedanken fassen. Sie nahm meine Hand und folgte mir wie ein Lämmchen. Unser Weg führte zwar nicht zur Opferbank, allerdings hätte ich sie lieber bei der Hand genommen und wäre mit ihr in den Wald geflüchtet, als sie, wie jetzt, in den Saal zu führen. Ich sah an ihr herab. Sie trug noch immer das Kleid, das sie den ganzen Tag getragen hatte. Das sie tagaus, tagein trug. Wir hatten nicht allzu viel zum Anziehen. Der Graf war der Meinung, dass uns die geerbten Kleider unserer Mutter reichten. Ich hätte ihr sagen müssen, dass sie sich ihr Sonntagskleid anziehen sollte. So lautete der Befehl. Doch ich widersetzte mich ihm. Meine Hoffnung war, dass Almadar Lisette nicht reizvoll fand. Ich besah mir meine kleine Schwester noch einmal und nickte zufrieden. Ihre Hände waren verschmutzt, die Frisur in Auflösung begriffen, sie kam aus irgendeinem kindlichen Spiel und hatte gerötete Wangen. Unmöglich für einen Mann, sie als Frau zu sehen.
    Immer noch an meiner Hand trat sie mit mir in den Saal. Sie blieb hinter mir, da sie die lauten Männer schon immer geängstigt hatten. Ich bemerkte das Aufglimmen in den Augen des Grafen, als er Lisettes Aufmachung erblickte. Sie hatte sogar ein wenig Ruß im Gesicht, da sie in der Küche geholfen hatte. Ich fürchtete seine Strafe nicht, ich betete, dass Almadar ihre kindliche Gestalt wenig reizvoll fand, dass er vom Gedanken einer Verbindung absah. Doch das Gegenteil erfolgte: Er war von ihrer kindlichen Unschuld begeistert!
    »Endlich mal keine Dame, kein Püppchen. Sie ist ein Edelstein, ein noch ganz ungeschliffener Edelstein«, rief er, als er ihrer ansichtig wurde.
    Ich war verzweifelt. Meine Bemühung, Lisette vor diesem Lebemann zu bewahren, hatte sie in seine Arme getrieben. Wie versteinert spürte ich den leichten Händedruck von Lisette, die mich fragend ansah. Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen. Wie naiv war ich, zu glauben, dass ein wenig Ruß einen Mann wie Almadar abhalten konnte?
    Die Männer schrien nach Wein. Sie hatten etwas zu feiern. Almadar schüttelte die Hand des Grafen, er war mit der Verheiratung einverstanden. Der Handschlag erinnerte mich an den Viehhandel, der einmal im Monat im Dorf stattfand. Allerdings war gerade meine kleine Schwester, die noch gar nichts verstand, per Handschlag verschachert worden.
    Mir schossen die Tränen in die Augen. Wie konnte ein Vater sein kleines Mädchen an einen solch alten Mann geben? Lisette verstand es noch nicht. Sie blickte scheu zu ihrem Vater. Sie wollte keinen Fehler machen. Sie entspannte sich erst, als er ihr zunickte und mit ihr zufrieden war. Sie war erst zwölf und hatte nichts begriffen.
    Zurück in der Küche, es wurde Lisette erlaubt, sich mit mir zu entfernen, hörten wir die Köchin schimpfen. Sie hatte unser Eintreten nicht bemerkt, und da sie Lisette wie ihre Tochter liebte, war sie ebenso entsetzt wie ich.
    »Wie kann ein Vater seine Tochter an ein so altes Scheusal verschachern? Es ist eine Schande! Der Blitz soll ihn treffen. Ihn und seine Kumpane.« Die Köchin schrubbte die kupfernen Töpfe mit solch einem Zorn, dass man froh war, gerade nicht in ihren Fängen zu sein. »Könnt ihr euch vorstellen, was dieser alte Lustgreis mit dem jungen Ding anstellt?« Das restliche Küchenvolk hatte unser Eintreten bemerkt und verstummte. Nur die Köchin, die uns den Rücken zudrehte, wusste immer noch nicht, dass Lisette hinter ihr stand und sich ihre Augen weiteten.
    »Ich kann mir schon vorstellen, dass es dem alten Kerl in seinem Schwanz juckt, wenn er das kleine Püppchen sieht.« Sie verstummte, als sie bemerkte, dass ihr niemand antwortete, und drehte sich um. Als sie unser ansichtig wurde, schlug sie die Augen nieder und errötete. So, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, verlor Lisette jede Farbe. Sie wurde kalkweiß und fiel in Ohnmacht. Die Köchin fing sie geschickt auf und schüttelte den Kopf. Jetzt erst, durch ihre klaren Worte, hatte Lisette begriffen, um was es im Saal gegangen war.
    Als sie wieder zu sich kam, liefen die Tränen und ließen sich durch nichts aufhalten. Nicht durch Süßigkeiten, die ihr die Köchin zusteckte, nicht durch die Späße, die der Hausdiener machte. Sie weinte sogar im Schlaf. Ich machte mir
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