Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser
Autoren: Jilliane Hoffman
Vom Netzwerk:
den Kopf senkte, die Hände in die Hüften stemmte und so tat, als müsse sie erst zu Atem kommen.
« Ich habe versucht, dich anzurufen, aber du scheinst heute keine Lust zu haben, ans Telefon zu gehen. Also beschloss ich, einfach vorbeizukommen und dich persönlich einzuladen.» Julia wurde rot und hoffte, dass ihr Gesicht vom Laufen noch so gerötet war, dass Lat es nicht merkte. Plötzlich fielen ihr all die Dinge ein, die sie in der letzten Nacht gesagt hatte. Sie hasste es, sich dermaßen entblößt zu fühlen. Sie war so verdammt verletzlich gewesen! So hilfsbedürftig, und dann hatte Lat auf einmal unangekündigt vor ihrer Tür gestanden. Sie war völlig überrumpelt gewesen und hatte ihm viel zu viele Dinge erzählt, die sie besser für sich behalten hätte. Jetzt wusste John Latarrino alles über sie. Sie dachte an seinen Körper, seinen Herzschlag an ihrem Ohr ... Seine Berührung hatte sie auf eine Weise erschauern lassen, die sie bei Rick nie erlebt hatte. Als Lat sie küsste, hatte sie deutlich eine seelische Verbindung zwischen ihnen beiden gespürt und sich diesem überwältigenden Gefühl einfach hingegeben. Fünfzehn Jahre lang hatte sie sich hinter einem Geflecht aus Lügen, einer erfundenen Vergangenheit versteckt, doch jetzt wusste zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Eltern ein anderer Mensch die Wahrheit über ihr Leben – und war nicht entsetzt zurückgeschreckt. Lat hatte sie stundenlang geliebt, langsam und unglaublich zärtlich, und dennoch ebenso hungrig nach ihr wie sie nach ihm. Er war mit ihr ins Schlafzimmer gegangen, hatte sie dabei fest an sich gepresst und sie die ganze Zeit geküsst, als hätte er Angst, die unsichtbare Verbindung zwischen ihnen könne durchtrennt werden und sei dann für immer verloren. Hinterher hatten sie nebeneinandergelegen, die Gesichter einander zugewandt, die Lippen nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt, und in jenem Moment hatte Julia ihm Dinge anvertraut, die sie ihm nie hätte sagen sollen. Er hatte ihr schweigend zugehört und sie mit seinen sanften blauen Augen angesehen. Nicht für eine Sekunde hatte er seinen Blick von ihr gelöst. Sie hatte nicht einschlafen wollen, aus Angst, diesen kostbaren Moment zu verlieren, und hatte doch gewusst, dass der Zauber verfliegen würde, sobald die Sonne aufging. Als sie aufwachte, war er fort. Julia schüttelte die Erinnerung ab, blickte auf und lächelte.
« Abendessen? Stimmt, ein Cheeseburger wäre nicht schlecht.»
« Ein Cheeseburger?», erwiderte Lat ungläubig, während sie den Parkplatz überquerten.
« Das ist ja eine preiswerte Verabredung. Ich wollte eigentlich Steinkrabben und eine Flasche Wein vorschlagen. Aber gut», sagte er achselzuckend, « dann eben ein Cheeseburger und Bier. Die Frau gefällt mir. Ich kenne da genau das richtige Lokal.»
« Steinkrabben? Wow. Du weißt, wie man eine Frau beeindruckt. Womit habe ich das bloß verdient?»
« Für dich nur das Beste, Liebling», antwortete er fröhlich. Als sie die Treppe erreicht hatten, wurde er plötzlich ernst und griff nach ihrer Hand.
« Wie geht es dir heute?» Sein besorgter Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er sie das schon die ganze Zeit hatte fragen wollen, und sie wich seinem Blick beschämt aus. Vielleicht wusste er bereits, dass sie entlassen war. Vielleicht war er deswegen hier. Die arme Julia mit der schrecklichen Vergangenheit lag wieder einmal am Boden, und er war gekommen, um ihr aufzuhelfen. Aber sie würde sich nicht noch einmal auf ihn stützen. Sie würde nicht zulassen, dass er sie nur aus Mitleid besuchte oder, schlimmer noch, nur aus Mitleid mit ihr schlief. Dann blieb sie lieber allein mit ihren Dämonen.
« Gestern war ich ...» Sie verstummte.
« Hör mal, das mit gestern Nacht tut mir leid, Lat», sagte sie schließlich.
« Das muss dir nicht leidtun.»
« Ich habe einige Dinge gesagt –»
« Die du hoffentlich ernst gemeint hast.»
« Und ich habe einige Dinge getan –»
« Die du hoffentlich auch ernst gemeint hast.» Lat lächelte. Julia starrte auf ein Stück abblätternde Farbe am Treppengeländer.
« Ich schäme mich so», stieß sie leise hervor.
« Aber warum denn? Wenn ich irgendwelche Bedenken hätte, wäre ich jetzt nicht hier.»
« Na gut», sagte sie schließlich.
« Ich springe nur schnell unter die Dusche und ziehe mich um.» Sie ging die Treppe hinauf.
« Ich bin heute Morgen um sieben zu einem Einsatz gerufen worden, sonst wäre ich nicht gegangen», sagte er. Julia drehte sich nicht um.
«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher