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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser
Autoren: Jilliane Hoffman
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hellgrauen Augen wirkten genauso leblos wie an jenem Tag, an dem er den Gerichtssaal zum ersten Mal betreten hatte. Mel Levenson schüttelte traurig den Kopf und ging zurück zu seinem Platz.
« Dieser Mann ist bereits zu einem Leben in der Hölle verurteilt», sagte er mit weicher Stimme.
« Bitte verurteilen Sie ihn nicht zum Tode.»
KAPITEL 97
    D ER SCHADEN war bereits angerichtet, noch bevor Rick aufspringen konnte.
« Einspruch!», rief er.
« Die Geschworenen entscheiden in dieser Phase des Verfahrens lediglich über Schuld oder Unschuld des Angeklagten, Euer Ehren. Mr. Levenson versucht, sie glauben zu machen, dass sie den Angeklagten automatisch zum Tode verurteilen, wenn sie ihn für schuldig befinden!» Wieder zog Farley eine Augenbraue hoch.
« Aber die Staatsanwaltschaft fordert doch die Todesstrafe, oder etwa nicht?», fragte er.
« Wie Euer Ehren sicherlich wissen, wird das Strafmaß unabhängig von der Schuldfrage geklärt. Außerdem setzen nicht die Geschworenen die Höhe des Strafmaßes fest, sondern Euer Ehren.»
« Aber Sie fordern die Todesstrafe, richtig, Mr. Bellido?» Richter Farley war ganz offensichtlich verärgert. Er hasste es, belehrt zu werden, vor allem vor laufenden Kameras.
« Ist es nicht so?» Rick biss die Zähne zusammen.
« Ja, Euer Ehren, aber –»
« Na also», schnitt ihm Farley das Wort ab und sah hinüber zu den Geschworenen.
« Wenn Sie den Angeklagten für schuldig befinden, wird in einem weiteren Prozess über das Strafmaß verhandelt, wobei Sie entscheiden, ob der Angeklagte zum Tode verurteilt werden soll oder nicht. Trotzdem bin am Ende ich derjenige, der das Strafmaß festsetzt und verkündet.» Dann warf er Rick einen bösen Blick zu und wandte sich an Levenson:
« Sind Sie fertig, Herr Verteidiger?» Levenson ließ sich auf seinem Stuhl nieder und klopfte seinem Mandanten freundschaftlich auf die Schulter.
« Ja, Euer Ehren, ich denke, es ist alles gesagt.» Die Spannung im Gerichtssaal war beinahe mit Händen zu greifen. Jeder wusste, dass das Ende kurz bevorstand.
« Mr. Bellido, möchten Sie noch etwas sagen?», fragte Farley seufzend. Rick dachte einen Augenblick lang nach. Der Richter war offenbar stocksauer auf ihn, und wenn er jetzt noch einmal auf das Plädoyer der Verteidigung einging, würde Farley dies gewiss auch den Geschworenen vermitteln. Rick betrachtete die Männer und Frauen auf der Geschworenenbank und stellte fest, dass sie ein wenig rastlos wirkten. Zwei lange, anstrengende Wochen lagen hinter ihnen, und der heutige Tag hatte ebenfalls seine Spuren hinterlassen. Wenn er erneut das Wort ergriff, riskierte er, die Geschworenen zu langweilen, sie mit psychiatrischer Fachterminologie zu verwirren oder – noch schlimmer – sie zu verärgern. Was wiederum dazu führen konnte, dass sie Mitleid mit dem Angeklagten bekamen. Glücklicherweise schaute keiner der Geschworenen zum Angeklagten hinüber, und das war auf jeden Fall ein gutes Zeichen. Wenn sie Marquette oder Levenson nicht in die Augen sehen konnten, hieß das, dass sie sich für die Seite der Staatsanwaltschaft entschieden hatten. Es gab also keinen Grund, die Sache weiterzuverfolgen.
« Nein, Euer Ehren», sagte Rick.
« Die Staatsanwaltschaft verlässt sich auf ihr Schlussplädoyer und auf die Fähigkeit der Geschworenen, die Beweislage richtig zu deuten.»
« Na schön, dann können wir jetzt einen Schlussstrich ziehen», sagte Farley, und im Gerichtssaal erhob sich aufgeregtes Murmeln. Farley sah mit gerunzelter Stirn in die Runde, bis er wieder alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.
« Es ist schon spät», sagte er.
« Hiermit vertage ich die Sitzung. Morgen früh werde ich die Geschworenen belehren und in den Gesetzen unterweisen. Gegen Mittag sollten wir so weit sein, dass sie sich zur Beratung zurückziehen können.» Mit diesen Worten stand Farley auf, stürmte aus dem Saal und ließ die Tür hinter sich zuknallen.
« Erheben Sie sich!», rief Jefferson, wieder einmal um Sekunden zu spät.
KAPITEL 98
    E TWA EINE Stunde nach dem Ende der Verhandlung klingelte Julias Telefon. Die angezeigte Nummer verriet ihr sofort, dass der Anruf aus einem Büro der Staatsanwaltschaft kam. Genauer gesagt aus einem Büro von Major Crimes. Julia hatte keine Lust, sich anzuhören, dass sie gefeuert war. Sie blieb auf dem Küchentresen sitzen und wartete darauf, dass der Anrufbeantworter ansprang. Sie wollte sich nicht dafür rechtfertigen müssen, was letzte Woche vor Gericht passiert war. Sie
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