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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr
Autoren: Horst Biernath
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gehofft, euch beide und die Mutti gesund wiederzufinden. Dann wäre alles klar und einfach gewesen. Dann hätten wir zusammengelebt und zusammengewohnt, aber nun...«
    Hinter Traudls Stirn arbeitete es, man sah es ihr an, wie die Gedanken in dem kleinen Kopf mit dem straffgezogenen Scheitel und den beiden Zöpfen sich jagten.
    »Ich meine, der Rudi und ich, wir haben darüber gered't, ob wir nun beim Onkel Lutz bleiben dürfen oder ob wir nun, wo du wieder da bist, zu dir gehen müssen nach Traunstein.«
    Hermann Luedecke räusperte sich und schluckte.
    »Hm, Traudl, das ist eine schwierige Frage, die man nicht so einfach übers Knie brechen kann. Aber ich meine, daß es am besten ist, wenn ihr euch eines Tages, es muß ja nicht gleich heute sein, selber darüber entscheidet, was ihr tun wollt. Ihr versteht schon, wie ich es meine. Ich persönlich habe natürlich immer gehofft, wieder bei euch und mit euch zusammen zu sein. Aber ich weiß natürlich auch, daß ich euch fremd bin, und ich sehe, wie gut es euch beim Onkel Lutz gefällt und wie gut es euch bei ihm geht.«
    »Das Essen ist fertig!« rief Lutz und gabelte die Schnitzel aus der Pfanne auf die Teller. Sie nahmen alle vier um den Tisch herum Platz und begannen zu tafeln. Die Kartoffeln hatte Lutz gespart. Sie aßen, was für die Kinder neu und festlich war, das zarte, rösch gebratene Fleisch ohne Beilage und tunkten das braune Fett mit einem Stück Brot aus dem Teller. Aber sie schwiegen, und es war, als hätte Hermann
    Luedecke mit seinen Worten und damit, daß er die Entscheidung seinen Kindern aufgebürdet hatte, einen schweren Stein in ein unendlich tiefes Wasser geworfen. Er sank und sank, während sich seine Wellenringe eilig zu den Ufern hin fortpflanzten, aus den lichten Regionen in purpurne Tiefen, immer weiter, immer weiter in die Dunkelheit hinab, seinem Gesetz folgend, bis er einmal auf Grund treffen mußte.
    »Mei', du bist unser Vater — «, sagte Traudl nach einer langen Weile. Sie hatte mit dem Rest ihres Schnitzels gekämpft und ihn nicht ganz bezwingen können.
    Hermann Luedecke nickte.
    »Ja, das bin ich«, sagte er ernst.
    Die beiden Männer ließen ihre Messer und Gabeln für einen Augenblick sinken. Es war eine merkwürdige Spannung am Tisch, wie vor einer großen Entscheidung von weltpolitischer Bedeutung, bei der es um Tod und Leben und um das Schicksal ganzer Völker geht. Nur Rudis Besteck klapperte weiter. Aber das klirrende Geräusch vertiefte nur die Stille.
    »Und der Onkel Lutz ist unser Onkel.«
    Lutz bewegte die Lippen, aber das leicht ironisch gefärbte »allerdings« kam nicht heraus.
    »Und die andern Kinder derblecken uns, weil sie sagen >mei', ihr beiden habt's nur einen Onkel, und wir haben einen Papa<.«
    »Dees is fei woahr!« bestätigte der Rudi und nickte.
    Lutz ließ einen hellen Pfiff ertönen.
    »Aha, ich sehe schon, wohin der Hase läuft«, sagte er und kniff ein Auge zu, »ich habe als Onkel verloren. Na klar, Vater ist natürlich mehr als Onkel. Das weiß schließlich jeder Depp. Also los, Traudl, spuck's schon aus, was du dich nicht zu sagen getraust, weil du vielleicht meinst, ich könnte denken: da, schau diese Biester an! Kaum ist der Vater da, dann sind sie auch schon nicht mehr zu halten und überlassen ihren guten Onkel Lutz in seinem ollen Turm seinem traurigen Schicksal. He, so ist es doch, wie?«
    Die Traudl druckste ein wenig.
    »Ich mein, wir könnten ja noch eine Zeitlang bei dir bleiben.«
    Der Stein hatte den Grund erreicht!
    »Gott sei Dank!« sagte Lutz und atmete wie befreit auf. »Ich dachte wahrhaftig schon, ihr wolltet mir noch heute davonlaufen! — Also gut, ich bin damit einverstanden, und so tut es mir auch nicht weh. Ihr bleibt noch eine Weile bei mir, und dann, wenn euer Vater wieder ganz gesund ist und euch zu sich nehmen kann, dann geht ihr zu ihm, ja?«
    »Ja«, nickten die Kinder. »Und den Bello, den könnten wir dir ja für immer dalassen, wenn du meinst.«
    Hermann Luedecke beugte sich über seinen Teller.
    »Nimm Zitrone, Mensch!« knurrte Lutz ihn an. »Die Schnitzel sind genug gesalzen!« Aber er erhob sich rasch und ging an den Schrank, und er brauchte ziemlich lange dazu, um die Schnapsgläser zu finden und auf den Tisch zu stellen. Es waren vier Gläser.
    »So, Kinder — und darauf trinken wir einen. Wir Männer einen Kirsch, und ihr beide einen Schluck Portwein. Der Würfel ist gefallen. Und der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Also hebt einmal die Gläser.« Er
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