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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr
Autoren: Horst Biernath
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Luedecke räusperte sich.
    »Ja, Traudl«, sagte er mit zuckenden Lippen, »so ist das — aber laß dir nur Zeit...«
    Das kleine Mädchen kam zögernd näher.
    »Weißt, so nach'm Bild, was die Mutti gehabt hat, hätt' ich dich fei nimmer kennt — aber sie hat immer gesagt, daß du einmal zurückkommen wirst — gell, und jetzt bist du da.« Sie reichte ihm die Hand und knickste ein wenig, als wüßte sie nicht recht, ob der Knicks hier am rechten Platze sei. Hermann Luedecke hielt die kleine, rauhe Hand ein paar Sekunden lang fest. Er streichelte sie wie die Brust eines gefangenen Vogels.
    »Ja, Traudl, jetzt bin ich da.«
    »Ich mein, der Rudi wird's nicht glauben wollen.«
    »Also dann bereit ihn mal vor«, sagte Lutz, »er scheint sich mit dem Bello verdrückt zu haben.« Er griff in die Tasche und holte ein paar verdrückte Geldscheine heraus. »Du weißt doch, Traudl, wie es in den biblischen Geschichten zuging, wenn die verlorenen Söhne heimkamen. — Na, was haben sie da geschlachtet?«
    »Ein Kalb.«
    »Richtig! Das ist ein guter alter Brauch, und so wollen wir es auch machen. Lauf mit dem Rudi zum Metzger und kauf mal ein.«
    »Ein ganzes Kalb?« fragte sie fassungslos.
    »So gut sind die Zeiten nicht mehr. — Vier Kalbsschnitzel genügen heutzutage. Und vergiß auch die Zitrone nicht. Aber zieh deinen Mantel an und nimm auch dem Rudi seinen Loden mit.«
    Er zog Hermann Luedecke zum Tisch und drückte ihn in einen Stuhl. »Einen Schnaps, Hermann? — Mensch, ich muß dich wahrhaftig erst trinken und essen sehen, damit ich end=> gültig daran glauben kann, daß du es wirklich bist.«
    »Also her mit dem Schnaps, Lutz!«
    Lutz stellte die Gläser auf den Tisch und schenkte ein.
    »Also Prosit, Hermann, auf deine Heimkehr!«
    »Ich habe mir in Coburg von Friedrich Roeckel alles erzählen lassen.«
    »Laß es gut sein!«
    »Nein, nein, Lutz — wir haben uns früher nicht besonders gut verstanden. Weiß der Teufel, woran es gelegen hat. Wahrscheinlich ging es uns allen zu gut. — Was du an den Kindern getan hast...«
    »Ach, Mensch, hör doch schon auf! Die Kinder haben mir mehr gegeben, als ich ihnen geben konnte! Das ist die reine Wahrheit.«
    »Ich kann nichts dafür, daß meine Schwester Ulrike ein Biest ist — so war sie schon immer.«
    »Sag endlich Prost!«
    »Also Prosit, Lutz!« Sie hoben die Gläser und kippten das Kirschwasser hinunter. Lutz bot seinem Schwager Zigaretten an. Sie rauchten und schwiegen lange.
    »Ich bin ziemlich erledigt und kaputt«, sagte Luedecke nach einer Weile, »ich weiß eigentlich nicht, was an mir noch heil ist. Man will mich für eine Weile in ein Sanatorium stecken. Mein Fleisch ist wie Schwamm, und die Beine sind voller halbverheilter Narben von den Hungerödemen. Ich muß gesund werden. Man hat mir auch versprochen, dafür zu sorgen, daß ich in meinem Beruf unterkomme.«
    »Wir wollten den kleinen Laden, den Hertha sich in Traunstein eingerichtet hatte, verkaufen; Röeckel und ich. Du hast es deiner Schwester Ulrike zu verdanken, daß es nicht geschah. Sie war die einzige, die felsenfest an deine Rückkehr glaubte.«
    »Sie glaubt immer ans Gegenteil. Dieses Mal hat sie zufällig recht gehabt.« — Er verzog das Gesicht zu einem schmalen Lächeln. »Irrsinnig komisch, wenn man nach all dem, was man hinter sich hat, mit einemmal in solch eine Wohnung kommt wie in die von Ulrike. Mensch, Mensch, Mensch, Mensch!« Er griff sich an den Kopf.
    »Handgranate!« sagte Lutz lakonisch. »Aber immerhin, du hast ihr das Geschäft zu verdanken. Und wenn es auch ein kleiner Pamperlladen ist, so wirft er doch soviel ab, daß du, falls man dir eine Stellung anbietet, nicht gezwungen bist, in den ersten besten Knochen zu beißen, den man dir hinwirft.«
    »Und die Kinder?«
    »Nun, wenn ich mich darauf eingerichtet habe, sie so lange in meinem Nest zu halten, bis sie selber fliegen können, dann werde ich sie jetzt doch wohl so lange bei mir behalten können, bis du sie zu dir nehmen kannst. Also kein Wort mehr darüber!«
    Er sah, daß Hermann Luedeckes Gesicht zu zucken begann und daß er die Lippen zusammenpreßte.
    »Los, Mensch, trink noch einen Schnaps!« sagte er rauh und putzte sich geräuschvoll die Nase.
    »Gibt es hier in der Nähe ein Gasthaus, wo ich mich für die Nacht einlogieren kann?«
    »Unsinn, natürlich pennst du hier! Die Kinder rücken in ein Bett zusammen — das passiert ihnen nicht zum erstenmal — und du legst dich in die Klappe vom Rudi. Prima
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