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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr
Autoren: Horst Biernath
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einmal küssen würdest. Oder ich wünschte mir zum mindesten, von dir geküßt zu werden. — Ist das sehr schlimm?«
    »Es wäre furchtbar, wenn du es dir bei allen Vätern wünschen würdest, die dir ihre Kinder in die Schule bringen.«
    »Aber du warst eben nicht der Vater!«
    »Richtig, ich war ein Spezialfall.«
    »Siehst du, so ist es! Und dieser Spezialfall war es eben, weshalb ich dich zu küssen und von dir geküßt zu werden wünschte. — Daß du die Kinder so einfach zu dir nahmst!«
    »Es war gar nicht so einfach. Und es war ursprünglich auch gar nicht meine Absicht. Irgend etwas überrumpelte mich. Und es ist dabei ja auch allerhand Porzellan zerschlagen worden.«
    »Ja, ich weiß, in Coburg — und hier. Und ich habe immer an dich denken müssen, und ich habe dich bewundert, wie du mit den Kindern und allen Umständen fertig wurdest, die sie dir in den Turm brachten. Und ich habe immer gedacht: wenn ich ihm doch ein wenig helfen könnte!«
    Er streichelte mit der Stirn ihre Wangen. »Weißt du, ich habe immer geglaubt, daß der Himmel keine Zinsen zahlt. Aber es sieht fast so aus, als hätte ich oben ein Sonderkonto.« —

F Ü N F Z E H N T E S K A P I T E L

    Die Kinder nahmen die Nachricht, daß er Fräulein Hilde Leinegger so bald wie möglich heiraten werde, ohne besondere Überraschung auf. Es war fast enttäuschend.
    »Ha, ich hab's mir eh gedacht!« sagte die Traudl.
    »Was hast du dir gedacht?«
    »Daß du die Fräulein Leinegger heiraten wirst.«
    »So — und weshalb hast du dir das gedacht?«
    Die Traudl drehte sich wieder einmal kunstvoll in den Hüften: »Mei', wie du schon um sie umag'schwanzelt bist, wenn sie mal zum Rudi kam!«
    »Umageschwanzelt —!« knurrte Lutz verstimmt.
    »Du lernst nie Bayrisch!« kicherte die Kleine.
    Das Drehbuch war inzwischen aus München eingetroffen. Es war Lutz selber interessant, wie solch ein Drehbuch angelegt war. Abgesehen von den technischen Arrangements, den Kameraeinstellungen, Schwenkungen und Überblendungen, las es sich wie ein spannender Roman, von einem Autor verfaßt, dessen Augen auf Kosten der übrigen Sinne hypertrophiert waren. Lutz hatte die Aufgabe, dem Manuskript sozusagen Stimme zu geben, und die Arbeit fesselte ihn außerordentlich, nachdem er sich über die speziellen Erfordernisse des Films klargeworden war, die Dialoge so sparsam, aber so prägnant wie nur möglich einzusetzen.
    Natürlich hatte Lutz auch Hildes Vater seinen Besuch abgestattet und dabei beide Brüder von Hilde kennengelernt, nach Georg nun auch noch Rolf Leinegger. Es waren zwei junge Rauhbeine, die ihn mit Hallo aufnahmen und mit Anzüglichkeiten nicht sparten. »Wir dachten schon, unser Hildekind würde uns sauer werden«, oder Rolf, der gerade im juristischen Staatsexamen stand, markierte einen Buckel, reckte sich auf die Zehenspitzen, knallte seiner Schwester einen Kuß auf die Stirn und sagte wie Sesemi Weichbrodt: »Werde glöcklich, du gutes Kend!« Diese literarische Vorstellung glaubte er seinem zukünftigen Schwager schon aus Branchegründen schuldig zu sein. Es waren zwei nette, lustige Jungen. Der Vater von Hilde, Prokurist einer Würzburger Eisenwarengroßhandlung, war ein ruhiger ernster Mann, dem der frühe Tod seiner Frau einen Stoß versetzt hatte, den er nicht mehr verwand. Aber er ließ es sich nicht nehmen, zur Feier des Tages ein paar Bocksbeutel aus dem Keller zu holen, Randersackerer Pfülben von dem üppigen Jahrgang 1945.
    Von da an erschien Hilde oft im Turm, manchmal von einem ihrer Brüder begleitet, die Lutz um seine Turmwohnung glühend beneideten und allerhand Pläne spannen, sich einen ähnlichen Turm, deren es an der Hallfelder Stadtmauer und im Lande am Main ja genug gab, mit eigener Hand auszubauen. Die Kinder schlossen mit den jungen Männern rasch Freundschaft, und besonders Rolf schien es Traudl angetan zu haben. Sie stand, bevor er kam, stundenlang vor dem Spiegel, kokettierte mit sich selbst, bügelte ihre Zopfschleifen, probierte neue Frisuren und war tief enttäuscht, wenn der Erwartete nicht kam. Es war komisch und ein wenig rührend.
    Manchmal wurde es schon jetzt zu eng im Turm, und Lutz überlegte ernsthaft, ob es nicht das gescheiteste wäre, einen guten Teil von dem erhaltenen und von dem zu erwartenden Filmreichtum sofort in den Ausbau einer Wohnung zu stecken. Aber Hilde plädierte für Aufschub des Planes, denn sie war von Lutz' Träumen vom eigenen Haus und eigenen Grund angesteckt worden. Sie konnte Stunden
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