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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr
Autoren: Horst Biernath
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bist du um sieben Uhr morgens in München und hast bestimmt Anschluß.«
    »Aber ich habe keinen dunklen Anzug.«
    »Das wird sie dir bestimmt nicht übelnehmen.«
    »Einen dunklen Hut müßte man wenigstens haben. Nicht ihretwegen, aber wegen Traunstein. Du weißt doch, wie das in solch kleinen Nestern registriert wird, da ist ein grauer Filz beim Begräbnis gleichbedeutend mit einem schlechten Charakter.«
    Margot lächelte ein wenig und streichelte seine Hand.
    »Ich glaube, in irgendeiner Mottenkiste treibt sich bei uns noch ein schwarzer Hut von meinen Brüdern herum. Vielleicht sogar eine Melone.«
    »Um Himmels willen, Margot, ich kann doch keine Melone zum Trenchcoat tragen!«
    »Gut, dann also ein schwarzer Hut. Wenn du mich nachher heimbegleitest, kannst du ihn dir gleich abholen.«
    Lutz nickte und ließ den Kopf sinken. Es wurde kühl im immer. Der kleine eiserne Herd, ein gefräßiges und heimtückisches Ungeheuer, mußte dauernd gespeist werden, wenn es im Raum erträglich warm sein sollte. Lutz warf drei Holzscheite und drei Briketts auf die ersterbende Glut, die sich fast augenblicklich wieder belebte. Es war kein Wunder, denn der Kamin war so hoch wie der Schornstein einer mittleren Fabrik und hatte einen unbändigen Zug. Die Dämmerung brach an diesem verhängten und regenkalten Tag noch früher als sonst herein. Das Feuer warf durch die undichten Ringe rötliche Reflexe in Lutz Venturas bleiches Gesicht über die schwärzlichen Deckenbalken.
    Margot streifte die Pumps ab und kauerte sich, in ein paar Kissen geschmiegt, die sie genäht und gefüllt hatte, auf den breiten Diwan.
    »Willst du mir nicht von deinem Roman noch etwas erzählen?« fragte sie leise und rückte weiter hinauf, um ihm Platz zu machen. Er schloß die Ofentür und rüttelte am Rost, so daß die Flammen bis in den Kamin schlugen und das Ofenrohr erglühen ließen.
    »Hölle und Teufel!« hörte sie ihn fluchen. »Die Fahrt nach München kostet mich hin und zurück etwa fünfzig Mark, dazu kommen noch zwanzig Eier bis nach Traunstein, macht zusammen siebzig, rundherum siebzig! Auf Wiedersehen! Du kannst den schwarzen Hut in der Mottenkiste lassen, mein Liebling.« Er ging zum Schalter und knipste seine Schreibtischlampe an. Es war eine hübsche Lampe mit einem Messingfuß und einem zartgelben Pergamentschirm, auf dem ein paar altspanische Karavellen über eine leichtgekräuselte See tanzten. Sie verbreitete ein angenehm gedämpftes, warmes Licht, in dem sich die alten, buntbemalten Bauernmöbel besonders hübsch ausnahmen, vor allem die fränkische Truhe in Rot und Türkis.
    »Sei nicht albern, Lutz«, sagte Margot und bedeckte ihre hauchdünn bestrumpften Beine mit einem grünen Kissen, »ich borge dir selbstverständlich das Geld, das du für die Fahrt und für deine Ausgaben in Traunstein brauchst.«
    »Ach was«, knurrte er böse, »du hast mir vor sechs Wochen dreißig Mark gepumpt, und vor vier Wochen zwanzig, und vor zehn Tagen fünfzehn Eier, und ich habe dir bis heute noch nicht einen roten Heller zurückgeben können! Und ich weiß genau, daß von den paar schäbigen Kurzgeschichtenhonoraren, die noch ausstehen, kein Pfennig übrigbleibt, wenn ich meine Kohlenrechnung und meine Lichtschulden bezahlt habe!«
    »Hör auf, Lutz, es ist langweilig, immer dasselbe zu hören, verstehst du.«
    »Du glaubst nicht, wie langweilig es ist, immer dasselbe erzählen zu müssen!« sagte er heftig. »Dieses ewige Gefrett!«
    »Niemand hat dich gezwungen, Schriftsteller zu werden, mein Liebling.«
    Er sah sie überrascht an und verbeugte sich vor ihr.
    »Sehr richtig, mein Fräulein! Es ist natürlich ein wundervolles Gefrett — aber trotzdem eine Pleite.«
    »Also wieviel brauchst du? Aber genier dich nicht, mein Herz, dazu kennen wir uns zu lange.«
    Er überschlug im Kopf und an den Fingern seinen Kassenbestand und klopfte auch mit der flachen Hand gegen seine Brieftasche, als hätte er Herzbeschwerden.
    »Einen glatten und runden Fünfziger!« sagte er mit kurzem Atem. »Aber ich gestehe dir von vornherein, daß ich nicht weiß, wann ich dir die Moneten zurückgeben kann. Von zwanzig Manuskripten, die ich weggeschickt habe, sind glücklich drei angenommen worden. Und die bringen, wenn es gut geht, sechzig oder achtzig Mark ein.«
    »Tatsächlich drei von zwanzig?« fragte sie mit einem unverkennbaren Respekt im Tonfall ihrer Stimme. »Du, das finde ich fabelhaft! Früher hast du nicht so viele Treffer erzielt.«
    »Ich schieße
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