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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr
Autoren: Horst Biernath
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wie es eigentlich kam, daß wir uns wieder in die Wolle kriegten. Vielleicht war ich über Luedeckes Tod nicht traurig genug oder mit der Art, wie sie ihre Gören erzog, im Hinblick auf meine eigene Erziehung, die ich bei ihr genossen hatte, nicht einverstanden. Kurz und gut, es ging genau zwei Tage lang zwischen uns gut, und dann schmiß sie mich zum zweiten Male hinaus. Und dann landete ich nach einer abenteuerlichen Fahrt auf einem Kohlenzug wieder in meinen damals noch recht kahlen und unfreundlichen Turmgemächern. Ja, so war das.«
    Margot stellte die Tassen und Kuchenteller auf den Tisch und teilte die Schwarzwälder Kirschtorte in einen größeren Teil, den sie auf Lutz' Teller schob, und in einen bedeutend kleineren für sich selber. Sie unterließ es, ihm die Hand zu drücken oder ihm ihr Beileid auszusprechen, weil sie nicht wußte, wie er es aufnehmen würde. Wahrscheinlich erwartete er auch nichts dergleichen. Sie tat ihm wie gewöhnlich zwei Stücke Zucker in den Kaffee und goß ihm ein paar Tropfen Kondensmilch in die dampfende Tasse. Die Torte war ein wenig verdrückt. Er löffelte schweigend. Es schien ihm nicht wie sonst zu schmecken.
    »Sei mir nicht böse«, sagte er plötzlich und schob den Teller fort und griff nach den Zigaretten, »die Geschichte ist mir doch auf den Magen gegangen.«
    »Ich glaube«, sagte sie ganz ehrlich, »du wärest mir ein wenig unheimlich geworden, wenn sie dir nicht auf den Magen gegangen wäre.«
    »Aber du kannst mir noch eine Tasse Kaffee geben.«
    »Ja — das ist auch etwas anderes.«
    »Eigentlich blödsinnig«, murmelte er, »weshalb paßt Kaffee zu den Todesfällen und weshalb paßt Torte nicht dazu? Aber das ist wohl eine zu schwierige Frage.«
    Sie schenkte ihm noch einmal ein und zündete sich selber auch eine Zigarette an. Das Telegramm lag neben ihr zusammengefaltet auf dem Tisch. Sie öffnete es noch einmal.
    »Und wer ist Familie Roeckel?«
    »Eine Schwester von meinem Schwager Hermann Luedecke hat einen Herrn Roeckel geheiratet. Er ist Eisenbahner und lebt, wenn ich mich nicht irre, in Coburg.«
    »Und zwei Kinder sind da?«
    »Ja, ein Mädel und ein Bub. Luedecke war zweimal auf Urlaub. Einmal 1939 und einmal 1942.«
    »Für die Kinder eine furchtbare Situation.«
    »Ja, gewiß — so ganz allein.«
    »Haben die Roeckels Kinder?«
    »Keine Ahnung — oder halt, nein, sie haben keine Kinder. Meine Schwester erwähnte es einmal«, er grinste plötzlich über eine komische Erinnerung, »er ist doch Eisenbahner — er ist zuviel unterwegs.«
    Auch Margot lachte. Da sie gerade die Tasse zum Mund führte, wäre es beinahe zu einem kleinen Unglück gekommen. Aber es gelang ihr, den Kaffee im Mund zu behalten und die Tasse zurückzustellen.
    »Na, dann können diese Roeckels ja die Kinder zu sich nehmen.«
    Er sah sie ein wenig überrascht an, als entdeckte er an ihr Eigenschaften, die er bisher nicht wahrgenommen und auch an ihr nicht vermutet hatte. »Nun ja, irgend etwas wird mit den Kindern nun ja wohl geschehen müssen.«
    »Oder ein Vormund oder ein Treuhänder müßte diese Leihbibliothek für die Kinder führen, bis sie auf den eigenen Beinen stehen.«
    »Ich glaube, mein Herz, du machst dir von diesem Unternehmen eine falsche Vorstellung. Das hat den dreien gerade die Brötchen eingebracht. Die Butter mußte sich meine Schwester mit allen möglichen Nebenarbeiten verdienen, Maschinenschreiben und Handarbeiten und Tellerbemalen und ähnlichem. Wenn es mir selber nicht so dreckig gegangen wäre, hätte ich ihr ja trotz des zweiten Hinauswurfs von Herzen gern geholfen. Die Frage ist nur, ob sie sich meine Hilfe hätte gefallen lassen. Sie hatte einen eisernen Schädel.«
    »Je mehr du mir von deiner Schwester erzählst, desto besser gefällt sie mir.«
    »Mir eigentlich auch. — Aber das ist jetzt zu spät.« Er zerdrückte den Zigarettenrest im Aschenbecher und leerte seine Tasse. Der Kaffee war inzwischen kalt geworden. Margot beugte sich vor.
    »Und was wirst du jetzt tun, Lutz?«
    »Ich werde natürlich hinfahren. Jetzt kann sie mich ja nicht mehr 'rausschmeißen. Was ist heute eigentlich für ein Tag?«
    »Donnerstag, mein Liebling.«
    Er fuhr auf und griff sich an den Kopf: »Teufel ja, tatsächlich schon Donnerstag? Ich habe eigentlich so ein Dienstaggefühl gehabt. — Ja, verdammt noch einmal, dann findet die Beerdigung ja schon morgen statt!«
    »Wenn du den Nachtschnellzug nach München nimmst, der hier zwischen eins und zwei abgeht, dann
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