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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler
Autoren: Robin Cook
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Prolog
     
    Bruce Wilkinson erwachte so plötzlich aus tiefstem Schlaf, daß er ein Gefühl überwältigender Angst empfand, ähnlich einem Kind, das aus einem Alptraum hochschreckt. Er wußte nicht, was ihn geweckt hatte, nahm aber an, daß es sich um ein Geräusch oder eine Bewegung gehandelt haben mußte. Er überlegte, ob ihn etwas berührt haben konnte. Reglos lag er im Bett, hielt den Atem an, starrte in die Dunkelheit rings umher und lauschte. Zuerst fiel es ihm schwer, sich zu orientieren, denn sein Gesichtsfeld war begrenzt, und er vermochte nur Schemen wahrzunehmen. Doch dann erinnerte er sich, daß er im Boston Memorial war, genauer gesagt, auf Zimmer 1832. Ungefähr im gleichen Moment begriff er auch, daß es mitten in der Nacht sein mußte. Im ganzen Krankenhaus herrschte Totenstille.
    Er hielt sich nicht zum erstenmal im Boston Memorial auf. Vor gut einem Monat hatte er nach einer völlig unerwarteten Herzattacke drei Wochen einige Stockwerke weiter unten gelegen, und jetzt verbrachte er bereits über eine Woche hier oben damit, sich von einer by-pass -Operation zu erholen. Er war also durchaus an den Krankenhausalltag gewöhnt. Manche Einzelheiten wie das Quietschen des Medikamentenwagens der Schwester auf dem Gang, der ferne Signalton einer näherkommenden Ambulanz, selbst die metallisch verzerrte Lautsprecherstimme, die einen der Ärzte ausrief, übten auf ihn eine geradezu beruhigende Wirkung aus. Tatsächlich gelang es ihm nicht selten, anhand dieser Geräusche die genaue Tageszeit festzustellen, ohne auf die Uhr zu schauen. Jedes von ihnenbedeutete, daß man im Notfall auf sofortige medizinische Betreuung zählen konnte.
    Bruce Wilkinson hatte sich nie viele Gedanken über seine Gesundheit gemacht, obwohl er an Multipler Sklerose litt. Vor fünf Jahren, als sein Sehvermögen schlechter geworden war, hatte er zum erstenmal in seinem Leben einen Arzt aufgesucht, die Diagnose aber gleich anschließend wieder vergessen, denn Ärzte und Krankenhäuser jagten ihm Angst ein, und seine Augen waren von selbst wieder besser geworden. Dann war aus heiterem Himmel die Herzattacke gekommen, die anschließende Einlieferung in die Klinik und der nicht unerhebliche chirurgische Eingriff, dem er sich soeben unterzogen hatte. Wenn er den Ärzten glauben durfte, bestand keine Verbindung zwischen seinen Schwierigkeiten mit dem Herzen und der Multiplen Sklerose, aber er konnte diese Auskunft kaum als sonderlich trostreich oder ermutigend bezeichnen. Jetzt, da er mitten in der Nacht erwacht war und keine der üblicherweise so beruhigend wirkenden Krankenhausgeräusche vernahm, kam ihm die Klinik als bedrohlicher Ort der Einsamkeit vor, der eher Furcht als Hoffnung erweckte. Die Stille ängstigte ihn, zumal sie keine unmittelbare Erklärung für sein plötzliches Erwachen bot. Er fühlte sich wie gelähmt, niedergedrückt von namenlosem Entsetzen.
    Die Sekunden verstrichen, und sein Mund wurde trocken, genau wie fünf Tage zuvor infolge der Medikamente, mit denen man ihn auf die Operation vorbereitet hatte. Diesmal aber lag es an seiner Angst, die immer stärker wurde, während er sich nicht zu rühren wagte und alle Sinne strapazierte, um das Beunruhigende zu orten. Als kleiner Junge hatte er sich genauso verhalten, wenn er aus einem bösen Traum aufgewacht war. Beweg dich nicht, dann übersehen die Ungeheuer dich vielleicht … Auf dem Rücken liegend, konnte er nicht viel vom Zimmer sehen, da die einzige Beleuchtung aus einem kleinen Nachtlicht in Bodenhöhe hinter dem Bett bestand. Alles, waser zu erkennen vermochte, war der undeutliche Übergang von den Wänden zur Decke, auf der sich als vergrößerter Schatten die Silhouette des Infusionsgerätes mit Flasche und Schlauch abzeichnete. Die Flasche schien leicht hin und her zu schwingen.
    In einem Versuch, seiner Angst Herr zu werden, begann Bruce, die Botschaften seines Körpers zu entziffern. Zuerst die wichtigste Frage, die sich drohend vor ihm auftat: Ist alles in Ordnung mit mir? Nachdem sein Organismus ihm mit der Herzattacke bereits einen derart üblen Streich gespielt hatte, lag der Gedanke natürlich nicht fern, daß er von einer neuerlichen inneren Katastrophe geweckt worden war. Sollten sich die Nähte geöffnet haben? Das war eine seiner größten Ängste direkt nach der Operation gewesen. Ob sich der by-pass gelockert hatte?
    An den Schläfen hämmerte der Puls, und trotz eines schwachen Feuchtigkeitsfilms auf der Haut und eines etwas unangenehmen
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