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Vanilla High (German Edition)

Vanilla High (German Edition)

Titel: Vanilla High (German Edition)
Autoren: Henry Milk
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behilflich. Wir arbeiten hier nur noch zum Schein, keiner bräuchte hier verhungern. Ich bin gespannt, wie lange dieses Spiel fortgeführt wird: Die perversen Mächtigen der Erde haben Angst vor dieser Insel. Wird irgendwann jemand auf den roten Knopf drücken? Wöchentlich kommen wenige Frachter von der Außenwelt. Es wäre wohl kein Problem, diese Insel zu zerstören. Die Frage ist, ob die Tabok auf Reunion davon betroffen wären. Sicherlich die Jogger. Wie würden die Tabok reagieren? Vielleicht würden sie diesen Planeten der Irren verlassen. Vielleicht. Das Prinzip der Abschreckung hat nun fast hundert Jahre funktioniert, wenn man die israelischen Atomschläge auf Iran im Jahr 2018 nicht mitzählt. Die Abschreckung hat mehr oder weniger funktioniert, bis auf diesen kleinen Unfall. Ich war noch keine Siebzehn. Der Indische Ozean hat von dem Dreck auch etwas mitgekriegt. Die Mächtigen der Erde haben wohl kapiert, dass die Tabok eine Politik der Nichteinmischung betreiben. Sie kümmern sich nicht um die brutalen Ungerechtigkeiten, die immer noch auf der Erde herrschen. Überall herrscht das Kapital, verbrämt mit der jeweiligen Ideologie. Die Geschichte des Sozialismus ist ein Horrormärchen aus einer anderen Zeit. Sie misc hen sich nicht ein, und vielleicht scheuen die Staaten der Erde den Erstschlag. Die Mächtigen sind nur gewissermaßen pervers und korrupt, aber nicht völlig irre und größenwahnsinnig. Sie scheinen nicht wirklich zu befürchten, dass die Tabok hier ihre Macht erst aufbauen wollen. Ganz geheuer ist ihnen die Situation aber bestimmt nicht. Ich hingegen bin in der Welt ein gerngesehener Gast. Zeitschriften fordern mich auf, Gastkolumnen zu schreiben, die, wenn nötig, sofort automatisch übersetzt werden. Mein Vater hat mit solcher Software auch sein Geld verdient. In dieser Beziehung war er ein Genie, auch ein Sprachgenie. Die Welt möchte mehr über Reunion erfahren und Reunion mehr über die Welt. Das ist mein Job. Diesmal wird er mich nach Vancouver bringen, eine der wichtigen Metropolen der USA. September kann man dort angenehmes Wetter erwarten. Ich werde über Paris fliegen; eine Pazifikroute, die es nicht gibt, wäre nur wenig kürzer. Für mein Wohl wird gesorgt sein.     
     
    Die Redaktionssitzung brachte eine Überraschung für mich. Ich soll Interviews mit Aubrey de Grey, Peter Thiel und Mark Zuckerberg führen. Als ich von dem Vancouver-Auftrag gehört hatte, dachte ich, es wäre reine Routine. Ich wusste natürlich, dass Aubrey de Grey in Vancouver ansässig war. Thiel und Zuckerberg residieren im sonnigen San Francisco, kaum eine Flugstunde von Vancouver entfernt. Ich würde auf alle drei in Vancouver treffen, die Gelegenheit, alle drei gleichzeitig ins Jenseits zu befördern. Würde ich den Mord schnörkellos begehen, wäre ich unmittelbar danach auf der ganzen Erde vogelfrei, auch hier auf La Reunion könnte ich dann keinen Schutz und keine Gnade erwarten. Es ist nicht unbedingt mein Stil Leute zu ermorden, auch wenn sie es verdient haben oder ihr Tun die Menschheit, so wie ich sie kenne, gefährdet. Es ist nicht mein Stil und im Grunde habe ich mit den Dreien nur eine Meinungsdifferenz, schon eine ideologische Meinungsdifferenz, und de Grey und Thiel sind schon über achtzig. Ich achte das Alter, da muss man nicht der Natur nachhelfen. Die beiden müssen aber wie Siebzigjährige aussehen. Scheiß Spiel! Im Herzen bin ich schon Terrorist, obwohl ich noch jungfräulich bin. Ich habe bisher noch keinen Anschlag verübt, habe aber konspirative Kontakte, und besonders abends, wenn Ganja und Wein von mir Besitz ergreifen, formen sich nun Anschlagspläne, wenn ich ohne Gesellschaft bin. Wenn ich an richtiger Stelle durchsickern lasse, dass ich die Drei treffe, könnte sich durchaus etwas Konkretes ergeben. Noch bin ich unabhängig. Meine Überzeugung ist nicht strafbar, nicht auf La Reunion. Würde ich die Tabok vernichten, wenn ich die Mittel dazu hätte? Ich bemerke, dass dieses grübeln mir nicht gut tut. Wein und Keks wirken schon eine Weile. Vielleicht sollte ich einen Abstecher ins Choco, der Bar des Mercure Creolia machen, eines der Hotels, in denen die wenigen Ausländer auf dieser Insel residieren. Sie kennen dort guten Rotwein. Die Rue du Stade ist nicht weit. Ich brauche ein paar Menschen um mich herum und noch jede Menge Rotwein. Zehn Minuten Fußweg an einem milden tropischen Winterabend. Ich mag das. Ich habe bisher immer noch den Weg nach Hause gefunden. Ich
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