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0528 - Der blaue Tod

0528 - Der blaue Tod

Titel: 0528 - Der blaue Tod
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Die Nacht war sternenklar. Professor Zamorra hatte eine Flasche alten Rotweins aus den Kellergewölben von Château Montagne geholt, einen Korkenzieher, ein Glas und ein paar Decken dazugetan und war an die Loire hinuntergefahren, an eine ruhige Stelle, wo er allein war und seinen Gedanken nachhängen konnte. Er lauschte dem beruhigenden Plätschern der Wellen, dem Summen der Insekten und den Lauten anderer Nachttiere, und er genoß den warmen Wind, der über seine nackte Haut strich. Er hatte ein kleines Lagerfeuer in Brand gesetzt, von dem nur noch ein paar kleine tanzende Flämmchen über der Glut übriggeblieben waren, die in den nächsten Stunden endgültig verlöschen würde.
    Wie Sterne verlöschen, wenn der Tag kommt…
    Vor ein paar Wochen war er dort oben gewesen, bei den Sternen. Mit einem Raumschiff, das die Vorstellungskraft irdischer Wissenschaftler sprengte. Aber was wußte die irdische Wissenschaft schon von den Tricks, mit denen man von Naturgesetzen gegebene Einschränkungen umgehen konnte? Er war auf dem Kristallplaneten des ERHABENEN der DYNASTIE DER EWIGEN gewesen. Tausende von Lichtjahren von der Erde entfernt, im Zentrum der Macht. Und jetzt befand er sich wieder hier auf der Erde. Auf einem fast unbedeutenden Planeten im Randgebiet der Galaxis. In der tiefsten Provinz. Auf der Welt, die seine Heimat war und die er liebte, zu der er immer wieder zurückkehrte, weil er sich nur hier wohl fühlte.
    Im Moment lag ein Schatten über ihm, verhinderte, daß er sich wirklich wohl fühlen konnte. Möglicherweise war er infiziert mit dem Keim des Kobra-Dämons Ssacah. In Australien war er, nach seiner Rückkehr aus den Weltraum-Tiefen, von einem Ssacah-Ableger gebissen worden.
    Es sah so aus, als habe er den schwarzen Keim abtöten können. Aber er war sich seiner Sache nicht völlig sicher. Gewiß, er konnte die weißmagische Abschirmung um Château Montagne durchschreiten, die für jeden Dämon oder für dämonisierte Menschen zu einem undurchdringlichen Hindernis wurde. Aber er entsann sich, daß Merlins Tochter Sara Moon, als sie vom Ssacah-Keim infiziert gewesen war, in Llewellyn-Castle eingedrungen war, die alte schottische Burg, in der seit Ewigkeiten der Saris-Clan residierte und die mit der gleichen Magie abgeschirmt war wie Zamorras Château an der Loire.
    Er selbst spürte auch keine fremde Macht in sich. Alles schien völlig normal. Und doch blieb eine gewisse Unsicherheit. Oft fand er deshalb keine Ruhe; seine Gedanken kreisten immer wieder um den Punkt, ob er durch den dämonischen Schlangenbiß zu einem Sicherheitsrisiko für sich selbst geworden war.
    Es war einer der Gründe, weshalb er in dieser Nacht am Loire-Ufer lag, versuchte, sich in seine Umgebung zu integrieren und als Teil von ihr zu leben, zu erleben und vielleicht zu erkennen. Er meditierte, er grübelte, ließ seine Gedanken fliegen, und hin und wieder nahm er einen Schluck Wein, aber die Flasche war nicht einmal zur Hälfte leer, als er schließlich in Schlaf sank.
    Ein Mann trat zu ihm. Du hast ein Problem, sagte der Mann. Sage es mir, und ich werde dich davon befreien. Aber als Zamorra zu ihm aufsah, erkannte er, daß der Mann keinen Kopf besaß. Bei näherem Hinschauen besaß er auch keinen Körper. Er war - eine Farbe…
    ***
    »Verrückt«, murmelte er am nächsten Morgen, als er sich an diese Traumsequenz erinnerte. »Ein Mann, der keinen Körper hat, sondern sich als Farbe zeigt… als leuchtendes Blau… So was gibt’s doch gar nicht!«
    Klar, Vampire, Werwölfe, Dämonen - die gab’s auch nicht, zumindest in der Vorstellung jener Menschen, die sich selbst als vernünftig ansahen. Und trotzdem existierten diese Kreaturen. Warum also sollte es nicht auch ein Wesen geben, dessen Gestalt sich lediglich als Farbe ausdrückte?
    Nur, weil normalen Menschen die Fantasie fehlte, sich so etwas vorzustellen?
    Zamorra sah nach dem Stand der Sonne. Nächster Morgen? Er griff zur Uhr, die irgendwo zwischen seinen Kleidern lag. Es war fast Mittag. Für ihn eine normale Zeit, weil er ein Nachtmensch war, den Aktivitäten seiner Gegner, der Schwarzblütigen, angepaßt. Auch in dieser ruhigen Meditationsnacht war er, wie er sich erinnerte, erst eingeschlafen, als im Osten die ersten Anzeichen des beginnenden Morgens sichtbar wurden. Ein wenig wunderte es ihn, daß ihn weder die Sonne noch die steigende Vormittagstemperatur geweckt hatte; seiner Schätzung nach mußte es nach einer fast 20° C warmen Sommernacht inzwischen um die
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