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Vampirdämmerung / Roman

Vampirdämmerung / Roman

Titel: Vampirdämmerung / Roman
Autoren: Sharon Ashwood
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aber leider seine Fähigkeit verloren, sich in die menschliche Gestalt zurückzuwandeln. Sein Bruder Josef war in die Welt draußen entkommen. Dass er sie im Stich ließ, war beinahe unverzeihlich, und doch liebte Constance sie alle: Viktor, Josef und den kleinen Sylvius.
Sie sind alles, was ich habe.
    Und das bewahrheitete sich heute mehr denn je, seit sie ihrem Meister in diesen verlassenen Winkel der Burg gefolgt waren. Atreus von Muria, Hexer und König, war verbannt worden, und Constance diente ihm als Magd, seit sie in die Burg gekommen war, also gehörte sie nun ebenfalls zu den Verbannten.
    Was eine ungemeine Erleichterung war. Endlich hatte Constance Zeit, etwas anderes zu tun, als stets und ständig hinterhältigen Verehrern aus dem Weg zu gehen, die um Gunst und Macht buhlten. Sie durfte träumen. Für Constance war Verbannung ein Synonym für Frieden und eine Ruhe, die es ihr erlaubte, von ihrem eigenen Zuhause zu phantasieren, von einem großen Küchentisch, um den all ihre Lieben versammelt waren, wo man sich Geschichten erzählte, musizierte und so vieles teilte.
Von Glück.
    Wie sehr sehnte sie sich nach einem solchen Heim!
    Constance pfiff durch zwei Finger, und prompt kam Viktor auf seinen fleischplattengroßen Pfoten zurückgetrottet. Sein Spielzeug, aus dem an zahlreichen Stellen Teile der Füllung quollen, hing ihm schlaff im Maul.
    »So ist’s brav.« Sie tätschelte ihm die Schulter.
    Er wedelte mit dem Schwanz, dass seine hinteren Flanken mitwippten, und schenkte ihr das klassische Idiotengrinsen eines glücklichen Hundes.
    Dann hörte Constance Schritte.
    Sie erstarrte.
    Stiefel. Mehrere Paare. Sie überquerten den Korridor weiter vorn. Viktor gab ein leises
Wuff
von sich und ließ die Puppe fallen. Constance drängte sich an die Wand, falls einer der Stiefelträger vorn sich umdrehte und sie entdeckte.
O nein!
    Jedes Gefängnis hatte seine Wärter. In der Burg, dem Kerker für alle Kreaturen, die Magie besaßen, gab es die Wächter. Einst gewöhnliche Männer, waren sie aus ihren Familien gerissen und in den Dienst gezwungen worden. Die Burg verlieh ihnen Stärke und Unsterblichkeit, nahm ihnen aber den Kern dessen, was sie früher menschlich gemacht hatte.
    Die Wächter hatten Constance aufgegriffen, als sie eben aus ihrem Grab erstand, und sie hier an diesen scheußlichen Ort gebracht. Hätte Atreus sie nicht zu seiner Magd gemacht, hätten die Wächter Constance genauso gebrochen wie viele andere: mit einer Erniedrigung nach der anderen.
    Als sie sich daran erinnerte, krampfte sich ihr Magen zusammen, und ihr wurde übel. Sie warf die Puppe wieder, weiter diesmal, damit Viktor in Sicherheit und außer Sicht der Marschierenden lief. Ausnahmsweise tat der Hund, was er sollte, und flitzte hinter dem Stoffklumpen her.
    Constance begann, rückwärts zu gehen, zu nervös, um den Blick länger als einen Moment von den Wächtern abzuwenden. Derweil tastete sie sich an der Mauer entlang, die Finger sachte über kalten rauhen Stein und bröselnde Fugen bewegend. Die festen Strukturen hatten etwas Beruhigendes.
    Eine Veränderung der Luftströmung verriet ihr, dass sie sich einem anderen Korridor näherte, in den sie einbiegen könnte und nicht mehr zu sehen war. Dann würde sie einfach einen Bogen laufen und nachschauen, wohin die Wächter gingen. Was könnten sie in diesem verlassenen Winkel der Burg wollen? Hier war niemand außer Constances Familie.
    Sie machte auf dem Absatz kehrt und sprang sofort erschrocken zurück. Ein Dutzend Schritte entfernt stand der Anführer der Wächter, die Füße leicht ausgestellt und die Hände auf dem Rücken verschränkt.
    »Captain Reynard!« Constances Hand lag auf dem Messergriff.
    »Constance«, gab er zurück, »habe ich dich erschreckt? Falls ja, bitte ich um Entschuldigung.«
    Sein Tonfall sprach eindeutig für Reichtum und Bildung – all die Privilegien, die sie nie besessen hatte. Constance presste die Lippen zusammen und schwieg.
Was will er hier?,
fragte sie sich.
    »Ich hätte vermutet, das Vampirgehör würde mein Nahen beizeiten preisgeben«, fuhr er fort. »Du musst abgelenkt gewesen sein.«
    Er schritt auf sie zu, groß, aristokratisch und auf finstere Weise gutaussehend. Seine Captain-Uniform – ein blasses Relikt aus seinem menschlichen Leben – war sorgfältig geflickt, so dass jeder einzelne Goldbesatz an der richtigen Stelle schimmerte. Er mochte vor Jahrhunderten aus seinem alten Leben gezerrt und zum Befehlshaber dieses
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