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Vampirdämmerung / Roman

Vampirdämmerung / Roman

Titel: Vampirdämmerung / Roman
Autoren: Sharon Ashwood
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Deckengewölbes und landete dann mit einem matten Plumps im Staub. »Los, Junge! Hol!«
    Viktor drehte sich um und stürzte dem Spielzeug nach. Im Laufen schnappte er unheimlich nach der Luft, und sein Schwanz schlug unkontrolliert wie bei einem Welpen auf und nieder. Constance lüpfte ihre langen Röcke und sprintete ihm hinterher. Ihre Schuhe hörte man gar nicht, denn sie wurden vom Klackern der Werwolfskrallen auf dem Stein übertönt.
    Sie behielt den armen, verrückten Viktor im Blick. Schließlich könnte er zwischendurch vergessen, wonach er jagte, und einfach in einen der unbekannten Seitengänge trotten. Und solange er in seiner Bestiengestalt steckte, war er gefährlich, verdammt und vor allem dumm wie Brot.
    Seit Stunden jagten sie die dämliche Puppe, und Constance taten schon die Füße weh. Aber das Apportieren war Viktors einziges Vergnügen, das Constance ihm nicht verwehren wollte. Außerdem war es ja nicht so, als hätte sie ihre Lieben von der Küche aus dirigieren können, wie ihre Mutter es tat. Zum einen besaß sie gar keine Küche, und zum anderen waren Vampire für ihre miserablen Kochkünste bekannt. Nein, Constance musste sich etwas anderes als die Mahlzeiten aussuchen, um den Haushalt zusammenzuhalten. Also warf sie die Puppe.
    Alles geben, was wir können, das ist es, was die Familie ausmacht. Was heißt es da schon, wenn wir keine Blutsverwandten sind?
    Wohlgemerkt, nicht jede Familie muss sich mit einem senilen Werwesen herumschlagen – obgleich Constance sich dumpf an einen menschlichen Onkel erinnerte, der diesen Kreaturen nach einigen Ales zu viel ziemlich nahegekommen war.
    Constance blieb lange genug stehen, um sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen. Sie schaute zu, wie Viktor die Puppe schnappte und mit alptraumhafter Inbrunst schüttelte. Allein Viktors unheimliches Knurren bescherte Constance eine Gänsehaut.
    Du bist mal eine Nachtkreatur, Constance! Hast Schiss vor einem Hund.
    Tatsächlich hätte sie sich an einem leuchtenden Feuer oder überhaupt an irgendeinem hellen Plätzchen sehr viel wohler gefühlt. In den höhlenartigen, fensterlosen Gängen der Burg jedoch war es immerzu dunkel. Das Labyrinth aus Fluren und Kammern, Treppen und Bogendurchgängen, Empfangszimmern und leblosen Grotten erstreckte sich unendlich um sie herum. Alles war Stein – uneben, grau, feucht und zementiert in jahrtausendealter Magie.
    Hier und da hingen Fackeln in schwarzen Eisenhaltern an den Wänden. Sie flackerten, gingen aber niemals aus und warfen ihr schmieriges, rauchiges Licht nur in kleinen Kegeln in die Gänge. Es reichte nie, dass man sehen konnte, was sich in den Schatten verbarg. Die Burg wahrte eben ihre Privatsphäre.
    Verständlich. Die Burg war ein Gefängnis für verdorbene Wesen wie sie. Es existierte kein
Draußen,
sondern lediglich die endlosen Korridore und Kammern im Innern. Den Gefangenen stand es frei herumzuwandern, sich mit anderen zusammenzutun, Königreiche oder Spionagenetzwerke zu gründen, Kriege auszutragen oder sich gegenseitig zu versklaven.
    Die Erinnerung machte Constance nervös. Wie von selbst griffen ihre Finger nach dem Messer, das sie am Gürtel trug und dessen Elfenbein-Stahl-Griff durch lange Benutzung glattgewetzt war. Das Messer eignete sich für Tausende täglicher Aufgaben, aber Constance hatte auch damit gekämpft. Zwar verachtete sie Gewalt von ganzem Herzen, doch in der Burg konnte Schwäche Schlimmeres als den Tod bedeuten.
    Constance war in dieser Welt zwischen den Welten gefangen, seit sie mit gerade einmal siebzehn Jahren gewandelt worden war – oder zumindest größtenteils gewandelt. Bis dahin war sie eine einfache Magd auf einer irischen Farm gewesen, die mit den Hunden und mit ihren Brüdern und Schwestern gespielt und zu arbeiten begonnen hatte, sobald sie stark genug gewesen war, um eine Milchkanne zu tragen.
Wie lange das her ist! Und wie sehr sich alles verändert hat!
    Aber einiges an ihr hatte sich nicht verändert. Immer noch spielte sie mit Hunden. Constance griff das Bein der Stoffpuppe und zog, um sie Viktor zu entreißen. Er jaulte und hielt die Lumpenpuppe fest, während Constance einen gebührenden Aufstand davon machte, sie ihm abzunehmen. Schließlich gab er sie frei und galoppierte in die Dunkelheit.
    »Halt!«, rief sie ihm nach und rannte los. »Komm zurück, du erbärmliches Fellknäuel!«
    Viktor ignorierte sie, verharrte jedoch mitten im Rennen, um seinen Schwanz zu fangen. Er verstand sie sehr gut, hatte
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