Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt
Autoren: Freda Warrington
Vom Netzwerk:
sagte Estel.
    »Aber wo ist er dann …?« Sie war auf Händen und Knien und die schreckliche Kälte zerrte mit jedem Augenblick stärker an ihr. »Doch nicht der Abyssus …?«
    »Kehr zurück in die Menschenwelt«, forderte das Rickenmädchen sie sanft auf. »Lebe dein Leben. Vergeude es nicht mit hoffnungsloser Suche. Dein Estalyr-Selbst sieht alles. Deine Fulgia wird dir den Weg weisen.«
    Als Rosie sich zum letzten Mal in den Nachthimmel aufschwang, entdeckte sie verschwommen und weit unter ihr den schmalen silbrigen Schatten eines Wolfs. Die Landschaft flog dahin und kippte unter ihr weg. Frei von allen Gedanken hielt sie ihren Blick auf den unter ihr dahinstreifenden Wolf gerichtet. Und manchmal kam es ihr vor, als gäbe es zwei Wölfe, der andere dunkler und mit goldenen Fellspitzen, der ihr den Weg zeigte, während sie, müde jetzt, der Dämmerung entgegenflog.
    »Wohin gehst du?«, fragte Lucas, der mit Jon Tritt fasste. Sie folgten einem schmalen, von Sternen beleuchteten Pfad durch einen Wald, der blaugrün auf violett wogte, als bestünde er aus lauter Anemonen.
    »Meine Mutter besuchen.«
    »Darf ich mitkommen?«
    Jon sah ihn von der Seite an. »Warum? Musst du nicht gehen und deinen Zeremonien nachkommen?«
    »Es gibt nichts mehr für mich zu tun«, seufzte Lucas. »Iola kümmert sich um alles. Ich bin weggegangen, als der Große Tanz anfing – als Torhüter darf ich nicht in irgendeine wahnsinnige Trance verfallen, und außerdem bin ich noch nicht dazu bereit und es war alles viel zu … intensiv. Ich brauche Raum, um nachzudenken. Jemand sagte, er habe dich weggehen sehen, und ich musste dich sprechen.« Den Drang zu beschreiben, den er verspürt und der ihn auf diesen Pfad geführt hatte, war schwerer. Es war der Ruf einer bisher ungehörten Stimme, der er folgte. Ständig erblickte er die kleine katzenartige Gestalt seiner Fulgia , die ihn leitete. Und die von Jon, den Schatten eines braunen Hasen.
    »Na, dann komm mit«, sagte Jon.
    Als sie in das Tal hinabstiegen, kam Ginny durch die Bäume auf sie zu, eine atemberaubende Erscheinung in ihrem langen amethystfarbenen Kleid und dem schwarzen Haar, das sie offen trug. Verlegen stand Lucas dabei, als sie Jon umarmte, doch als sie ihn ansah, lag nur Wärme auf ihrem Gesicht. Sie umarmte auch ihn, hakte sich dann bei beiden unter und sagte: »Ich hatte gehofft, dass ihr kommt. Ich wusste es.«
    Wasserrauschen wurde lauter. Lucas sah den Wasserfall, der sich in seine bemooste Schale am Fuße der Felsen ergoss, das glänzende Band des Flusses. Sterne und Planeten tauchten die Landschaft in taghelles Licht. Und dort stand jemand, nur schwer zu erkennen vor dem weiß schäumenden Schleier des Wasserfalls.
    Ein hochgewachsener Mann in schlichtem elfenbeinfarbenem Hemd und Hosen, dessen Haar sich schwarz von der Gischt abhob.
    Lawrence.
    Lucas und Jon blieben wie angewurzelt stehen, aber Ginny drängte sie weiter durch Gras und Farn, bis es keinen Zweifel mehr gab. Lawrence sah sie direkt an. Er hatte zwar nicht gerade ein Lächeln im Gesicht, aber ein Strahlen an sich. Die Jahre waren von ihm abgefallen. Seine Züge waren entspannt, er sah aus, als hätte er Frieden mit sich geschlossen.
    Lucas rannte auf ihn zu und warf sich ihm an den Hals. Lawrence taumelte ein wenig unter dem Aufprall und erwies sich damit als körperlich und real. Seine Hände drückten Luc an sich und schlossen sich dann auch um Jon, der ein wenig zögerte, bevor er sich zu ihnen gesellte.
    »O mein Gott, Dad, wie zum Teufel hast du das gemacht?«, rief Lucas.
    »Und Sam?«, fragte Jon mit rauer Stimme. »Wo ist er?«
    Lawrence sagte nichts. Ginny erbleichte und schüttelte nur den Kopf. Dann brach Jon fast zusammen und Lucas musste ihm helfen, sich auf einen der bemoosten Felsen neben dem Wasserfallteich zu setzen. »Was jedem von uns widerfährt, ist unterschiedlich«, sagte sie. Ihre Stimme brach und Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Wenn seine Essenz seinen Körper verlassen hat und zum Spiegelteich gegangen ist, werden wir ihn sehr lange Zeit nicht wiedersehen … wenn überhaupt.«
    Ginny und Lawrence nahmen ihnen gegenüber auf einem Felsbrocken Platz, sie hatte den Arm um seine Taille gelegt, er seinen um ihre Schultern. Seine Lippen berührten ihr Haar. Lucas spürte, dass Jon, der neben ihm saß, zitterte, und legte eine Hand auf seinen Arm, um ihn zu beruhigen. »Was ist passiert?«, fragte Luc. »Wir dachten, du …«
    »Zugegeben, der Abyssus war verlockend«, sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher