Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt
Autoren: Freda Warrington
Vom Netzwerk:
Lichtenergie erfüllten sie. Sie wurde von der Luft getragen, war schwerelos und schwang sich auf in den Himmel.
    Unter sich sah sie Wälder, die sich über einen Abhang ausdehnten, und einen Fluss, der sich durch eine Schlucht wand. Unter dem Sternengewölbe entfalteten sich die Täler von Elysium. In der Ferne erhob sich der spinnenartige Schatten des Damms.
    Sie flog.
    Auch andere stiegen mit ihr auf, aber sie konnte sie nicht klar erkennen. Sie verschmolzen mit der Nacht und ließen sie ganz allein zurück. Um sie herum waren nur das glasige Indigo des Nachthimmels, die unglaublichen Wirbel und Strudel der Sterne über ihr. Verwundert betrachtete sie ihren verwandelten Körper. Ihre Haut war von dunkelstem Mitternachtsblau und doch transparent und voller Sterne. Sie hatte Flügel! Große, gewölbte Dämonenschwingen, geformt vom Universum selbst.
    Dass sie alleine war, kümmerte sie nicht. Wie eine Gottheit betrachtete sie nur und ließ geschehen. Sie war ohne jede menschliche Regung. Fühlte sich machtvoll und allwissend. Und als sie ihre Muskeln erprobte und spürte, wie die Luftströme sie unter ihrem kräftigen, aber dennoch zarten Flügelgewebe stützten, wurde sie von einem überwältigenden ekstatischen Hochgefühl erfasst.
    Sie war Estalyr – die älteste Form der ersten Aelyr.
    Das war es. Sie kostete ihr tiefstes Wesen, ihr wahres, ursprüngliches Selbst. Es war immer da gewesen, tief in ihr vergraben, doch bis zu diesem Moment hatte sie es nie wirklich erfahren. Und nun wusste sie, warum ihre Familie sie bedrängt hatte mitzukommen, und doch auch wieder nicht. Jedes Elfenwesen sollte dies auskosten, selbst auf die Gefahr hin, nicht mehr zurückzukehren …
    Rosie flog zwischen Sternen und Planeten. Die Spirale als Ganzes offenbarte sich ihr, und da wusste sie, wie verführerisch, wie wundersam es wäre, ewig so dahinzufliegen, nie zurückzukehren … zurückkehren wohin? Es gab nur das hier.
    Sie glitt über eine Stadt, schwarz wie Jett. Ihre Türme zeichneten sich als gewaltige Silhouette vor den Sternen ab und große Statuen von Flügelwesen schauten von Turmspitzen und Terrassen auf die labyrinthischen Straßen herab. Es war die Stadt aus Faiths Fantasie, Tyrynaia, eine Pracht aus poliertem schwarzem Onyx. Überwältigt von unendlicher Glückseligkeit wusste sie, dass sie heimgekehrt war.
    Ihr Estalyr-Selbst landete auf der Mauer eines Balkons und sah dort eine weiße Gestalt stehen, so bleich, wie die Stadt schwarz war. Es war Albin – eine maskuline Version seiner Mutter Liliana –, dessen Haar in reinstem Weiß ein scharf geschnittenes, kantiges Gesicht umgab. Die Ähnlichkeit mit Lawrence sprang ins Auge, es war die gleiche erbarmungslose Schönheit. Das von seinen blauen Augen und dem blauen Edelstein gebildete Dreieck beobachtete sie. Rosie hatte noch nichts Kälteres gesehen als diese Augenschlitze.
    Er sprach, und ihr war, als habe sie wie eine Statue vor ihm gehockt und ihm lange Zeit Fragen gestellt; als wären Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinandergeflossen. Er erhob seine Hand, um ihr Gesicht zu berühren, doch es war keine Hand, sondern der Kopf einer Schlange mit silbern schillernden Schuppen. Sie sah das Aufblitzen ihrer Fangzähne. Die Zunge schnellte heraus und tastete ihre Haut ab.
    »Diese ursprüngliche Gestalt – ist sie nicht wunderbar? Du könntest hierbleiben und für immer diese Ekstase und Macht erfahren. Ich möchte doch nur, dass die Vaethyr ihre Augen öffnen und sich ihrer Zugehörigkeit erinnern. An die Aelyr werden sie allerdings nie heranreichen können. Sie sind verdorben. Minderwertig.«
    »Wie kannst du dir anmaßen, das zu beurteilen?«, forderte ihr Estalyr-Selbst ihn kühl heraus.
    »Wie glaubst du, kam es dazu, dass die Elfenwesen ihre sterbliche Camouflage annahmen? Wir kosteten sie, raubten ihren Atem, saugten ihren Saft und Samen aus, sezierten sie. Malten ihr Blut auf unsere Haut. Aßen ihre Organe. Wir sind Diebe, Raubtiere, Plagiatoren.«
    »Das sind viele Künstler.«
    »Aber in der Nacht der Nächte kannst du das alles zurücklassen, kannst zurück zu den Ursprüngen finden und wieder rein sein.«
    In ihrem träumerischen Zustand hatte sie keine Angst mehr vor Albin, aber ihr Estalyr-Selbst verlangte nach Antworten. »Ist das der Grund, weshalb du Lawrence’ Seelenessenz gestohlen hast?«, fragte sie. »Um ihn dafür zu bestrafen, dass er es wagte, dich zu verlassen und Liliana auf die Erde zu folgen?«
    Albin antwortete darauf mit einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher