Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaclav und Lena

Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena
Autoren: Haley Tanner
Vom Netzwerk:
bemüht sich, ernsthaft auszusehen, »…   wenn es für dich okay ist, weil alle Hausaufgaben gemacht sind, vielleicht   …« Vaclav schaut zu seiner Mutter hoch, und Rasia schaut auf ihren Sohn herab, auf dieses Herumgetanze um das, was er will, auf seine Turnschuhe aus Velcro, die nervös kleine Kreise in den Teppich bohren.
    »Vielleicht was?«, sagt Rasia.
    »Vielleicht vorm Abendessen   …«, bettelt Vaclav.
    |17| »Sag, was du sagen willst«, fordert Rasia und kneift die Augen zusammen.
    »Können Lena und ich für euch eine Zaubershow im Wohnzimmer machen vor dem Abendessen?«, sagt Vaclav hastig in einem Atemzug.
    »Alle Hausaufgaben gemacht?«, fragt sie.
    »Ja«, sagt Vaclav, »alle gemacht«, obwohl seine Hausaufgaben nicht ganz, sondern nur zum größten Teil erledigt sind.
    »Lena, bleibst du zum Essen?«, fragt Rasia.
    »Dah«, antwortet Lena.
    »Auf Englisch!«, fordert Rasia.
    »Yee-s«, brummt Lena.
    »Tisch muss gedeckt sein, bevor was mit Zaubern ist. Die Hausaufgaben müssen fertig sein«, sagt Rasia.
    Vaclav lächelt, er weiß, das ist ihre Art, Ja zu sagen.
    Rasia wirft noch einen extralangen finsteren Blick in das Zimmer, um alles Verdächtige, das sich vielleicht dort ereignet oder auch nicht, aus der Welt zu schaffen, und verlässt, zufriedengestellt, endlich das Zimmer. Dabei zieht sie die Tür fast ganz hinter sich zu. Sobald sie fort ist, hüpfen Vaclav und Lena auf und ab, kreischen aufgeregt und wirbeln dann herum, um mit der Vorbereitung für ihre großartige Zaubervorführung zu beginnen.
    |18| Meine Dame und mein Herr
    Vaclav und Lena schalten den Großbildfernseher im Wohnzimmer aus. Sie schieben den mächtigen Mahagoni-Couchtisch an die Wand. Er gibt eine perfekte Bühne ab, er ist schwarz und stabil und glänzend. Sie haben den Couchtisch schon häufig so bewegt, er lässt sich leicht über den großen abgewetzten Perserteppich schieben.
    Vaclav und Lena stellen sich auf die Bühne und warten darauf, dass ihr Publikum Platz nimmt.
    »Papa«, ruft Vaclav, »komm jetzt, wir sind so weit!« Rasia sitzt schon auf dem großen schwarzen Ledersofa und wartet auf den Beginn der Zaubershow. Vaclavs Vater kommt mit einem Glas Wodka in der Hand herein und lässt sich aufs Sofa fallen.
    »Okay, da bin ich. Was sehen wir denn? Was werdet ihr vorführen?«, fragt er auf Russisch.
    »Schau’s dir einfach an, okay?« Vaclav trägt seine Schulkleidung, Jeans und ein grünes T-Shirt , die Fliege locker um den Hals und den Zauberer-Zylinder auf dem Kopf. Lena trägt nur ihre normale Kleidung, Jeans und Pullover, sie hat noch kein Kostüm. »Zuerst will ich mein reizendes und intellektuelles Publikum willkommen heißen. Meine Dame und mein Herr, machen Sie sich auf eine schöne Überraschung gefasst. Ich bin Vaclav der Großartige, und das ist meine Assistentin, die liebliche Lena.« Vaclav holt mit dem linken Arm aus, um auf Lena hinzuweisen, die sich tief, feierlich und lange verbeugt.
    Vaclav und das Publikum warten schweigend einige Sekunden, bis sie wieder aufrecht dasteht.
    |19| »Heute Abend haben wir für Sie etwas ganz Besonderes, das Sie erstaunen und verwundern wird. Darf ich jemandem aus dem Publikum die Ehre erweisen, mir einen Vierteldollar als Einsatz für einen Zaubertrick zu geben?« Wie die lange Einleitung hat Vaclav auch diese Sätze sorgfältig vorbereitet und auswendig gelernt.
    »Das ist Betrug«, sagt Vaclavs Vater.
    »Papa!«
    »Oleg, gib ihn schon her«, knurrt Rasia, und unter viel Seufzen und Stöhnen langt Oleg in seine Gesäßtasche und holt einen angewärmten Vierteldollar heraus, den er seinem Sohn überreicht.
    »Danke, der gütige Herr. Weiß es zu würdigen.« Vaclav hält die Münze zwischen Zeigefinger und Daumen geklemmt und streckt sie vor, damit das Publikum sie prüfen kann.
    »Lena, sei so gut, das Papier.« Lena holt hinter ihrem Rücken ein Blatt Papier hervor. Sie tritt an den Bühnenrand und zeigt dem Publikum die Vorderseite des Papiers, die Rückseite und die Ränder. Sie hebt das Blatt Papier ans Licht, dann tritt sie zurück.
    »Wie meine reizende Assistentin gerade gezeigt hat – ein normales Blatt Papier, keine Löcher, keine Schnitte, keine Risse. Ein ganz gewöhnliches Blatt Papier. Danke, Lena.« Lena nickt.
    »Bitte, schauen Sie genau hin. Ich wickle das Papier jetzt um das Geldstück.« Vaclav umwickelt das Geldstück mehrmals, sodass es wie in einem Umschlag steckt. Rasia rutscht auf der Couch etwas nach vorn und folgt der Aufforderung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher