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v204525

v204525

Titel: v204525
Autoren: Jean Fellber
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erfunden, und es gibt viele berühmte Musiker wie Camarón de la Isla.«
    »Camarón?«
    Lou lachte. »Julio ist nicht mit ihm verwandt. Er bewundert ihn und hat deshalb den Namen stibitzt. Das macht aber nichts, Camarón hat sich gleich eine ganze Insel genommen. Warten Sie, ich spiele Ihnen ein Lied vor.«
    Sie holte ihren CD-Player und setzte mir die Kopfhörer auf. Orchester, Gitarre, dazu eine Stimme, die gequält klang, bevor der Refrain einsetzte. Lou bewegte ihre Lippen und sagte mir etwas. Ich nahm den Kopfhörer ab.
    »Was?«
    »Ich sagte, das ist Soy Gitano. Wenn ich das Lied höre, möchte ich am liebsten weit weg fahren.«
    »Ich bin schon weit gefahren«, sagte ich.
    »Ja. Und dann ausgerechnet in dieses Kaff.«
    »Ich hatte eigentlich vor, nach Timbuktu zu reisen. Aber der Freund, den ich treffen wollte, ist gestorben. Vielleicht fahre ich trotzdem noch hin, eines Tages.«
    »Wie traurig. Warum wollten Sie ihn treffen?«
    »Er war ein guter Schriftsteller.«
    »Sie sind auch einer.«
    »Der nicht mehr schreibt.«
    »Das hat damit nichts zu tun. Ich bin Gitano, Sie sind Schriftsteller. Die Hülle kann man ändern, aber das Herz nicht. Wie gefällt Ihnen Camarón?“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Sagen Sie jetzt nichts Falsches.« Sie lachte.
    »Man hört, dass er brennt.«
    »Leidenschaft.«
    Ich nickte.
    »Ich bin aber auch gemein. Natürlich können Sie die Musik gar nicht verstehen.«
    »Das heißt, dass Sie mich nicht für leidenschaftlich halten?«
    »Sind Sie es denn?«
    »Ein Schriftsteller ohne Leidenschaft ist kein Schriftsteller.«
    »Also geben Sie es endlich zu. Ich habe Sie fein in die Falle gelockt.«
    »Kann ich eine Zigarette haben?«
    Sie klopfte eine Fortuna aus der Packung und gab sie mir. Nach Wochen der Abstinenz war dies meine erste Zigarette, die erste, seitdem Maria die Affäre mit mir beendet hatte. Seltsam. Maria hatte nicht geraucht und sich beklagt, wenn ich es tat. Vielleicht hatte ich deshalb aufgehört, nachdem sie weg war. Vielleicht hatte ich geglaubt, dass sie dann wieder zu mir zurückkommt, wenigstens für eine Handvoll Stunden in der Woche.
    »Sie hatten bestimmt viele Frauen, oder?«
    »Nicht übermäßig.«
    »Wie viele Hände bräuchten Sie, um alle zu zählen?«
    »Drei bis vier.«
    »Für meine Männer brauche ich nur eine Hand. Wenn man lediglich die zählt, mit denen ich tatsächlich geschlafen habe. Ich bin aber auch noch nicht so lange dabei wie Sie. Am Ende meines Lebens will ich auf zwanzig Hände kommen, genau zwanzig, keine mehr, keine weniger.«
    »Das sind viele Hände.«
    »In der Liebe kann man nie genug Hände haben.«
    Wir lachten, stießen auf die Hände und die Liebe an, und ich verabschiedete mich. Lou lächelte, steckte sich noch eine Zigarette an, blies eine Rauchwolke in meine Richtung und sagte: »Bis morgen dann, Herr André.«
    »Bis Morgen, Lou.«
    Als ich im Bett lag und die Augen schloss sah ich sie vor mir, die Zigarette zwischen den vollen Lippen, den weißen Rauch, der zwischen ihnen hervorquoll. Ich widerstand der Versuchung und dem Verlangen, mich selbst zu befriedigen. Ich befand mich in einem Erregungszustand, den ich beibehalten wollte, der mich bis in einen mit wirren Träumen gefüllten Schlaf begleitete.
    Am Tag darauf sprach mich Maga an.
    »Ich hoffe, meine Tochter hat sie nicht gestört. Sie erzählt oft viel Unsinn und macht dabei schöne Augen.«
    »Nein gar nicht, im Gegenteil. Ich habe das Gespräch sehr genossen.«
    »Sie ist hübsch, nicht wahr?«
    »Wie ihre Mutter.«
    Sie wischte meine Bemerkung mit einer Handbewegung fort.
    »Sie hat viel zu viel von mir, aber gerade deshalb bin ich stolz auf sie.«
    Lou sah ich erst beim Abendessen wieder. Maga verabschiedete sich wie am Abend zuvor früh. Lou holte die Flasche Rum und zwei Gläser.
    »Ich möchte Sie im Museum besuchen«, sagte sie, während sie uns den Rum einschenkte. »Geht das?«
    »Natürlich. Ich habe nur bestimmte Regeln. Ich darf zum Beispiel keine Fragen stellen.«
    »Ja, ich weiß. Julio erzählt viel über das Museum, fast nur noch. Es beschäftigt ihn sehr. Er versucht herauszufinden, was die Essenzen bewirken. Angeblich basieren sie auf Rezepten aus dem Mittelalter und wurden von einem Alchemisten entwickelt. Oder einem Pariser Arzt. Julio erzählt da widersprüchliche Geschichten. Es ist ein seltsamer Raum, er ist zugleich düster und hell. Mich befällt eine seltsame Erregung, wenn ich dort bin.«
    Ich stimmte ihr zu.
    »Wann
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