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V wie Verrat

V wie Verrat

Titel: V wie Verrat
Autoren: Anna Schwarz
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das, was ich bisher von anderen Vampiren kannte. Auffallend waren höchstens der schwarze, fast barock anmutende Anzug und der hohe, spitze Kragen des ebenso schwarzen Hemdes. Auf den ersten Blick gab es an ihm nichts, das mir hätte Angst machen müssen. Das änderte sich schlagartig, als er mich ansah.
    Aus seinen Augen sprang mich das personifizierte Böse an.
    So grausam und kalt, dass ich keuchte, als hätte er mich geohrfeigt. Das Lächeln auf den schmalen Lippen strafte die Definition dieses Begriffes, ein Ausdruck der Freude und des guten Willens zu sein, lügen. In zwei Meter Abstand blieb er vor mir stehen, die Arme auf dem Rücken, und betrachtete mich auf eine Weise, die mich unwillkürlich an Zoo, Gitterstäbe und gefangene Tiere denken ließ.
    »Das ist also die Frau, die allen den Kopf verdreht. Interessant.«
    Er sprach leise, aber seine Stimme stach mir in den Kopf wie eine heiße Nadel. Seine ganze Ausstrahlung weckte sofort den Fluchtinstinkt, der uns angeboren ist und aus lebensbedrohlicher Gefahr retten soll. Alle durch den bewussten Willen nicht mehr steuerbaren Mechanismen sprangen an. Mein Adrenalinspiegel hatte den Höchststand des Verkraftbaren erreicht und bescherte mir die dazugehörenden, physischen Symptome. Schweißnasse, zitternde Hände, einen trockenen Mund, Herzklopfen, Atemnot. Aber ich konnte nicht fliehen. Auch tot stellen hätte nichts geholfen.

    Er hatte sich nicht bewegt, verfolgte meine wahrscheinlich deutlich sichtbare Reaktion mit dem unverändert bösartigen Lächeln auf den Lippen. Meine Gedanken kreisten wie in einem Hamsterrad panisch darum, irgendeine Rettung aus dieser Lage zu finden, aber mein Verstand wusste genau, dass das mehr als unwahrscheinlich war.
    »Warum entspannst du dich nicht und wir plaudern ein wenig? Schade, dass Pierre so sparsam möbliert hat, sonst hätten wir es uns etwas bequemer machen können.«
    Er sah sich kopfschüttelnd um, trat dann bis an die Wand zurück und lehnte sich mit verschränkten Armen dagegen.
    Himmel, ich krieg keine Luft mehr!
    »Gehe ich Recht in der Annahme, dass du weißt, wer ich bin?«
    Ich nickte zögernd.
    »Ja, das dachte ich mir schon. Gut! Denn das erspart mir langatmige Erklärungen, für die ich wahrlich keine Geduld hätte. Soll ich dir sagen, was mich wirklich außerordentlich interessieren würde?«
    Eine rein rhetorische Frage, denn er sprach gleich weiter.
    »Woran liegt es, dass du eine solche Wirkung auf sie hast? Versteh mich nicht falsch, du bist eine schöne Frau. Aber du bist nicht die Einzige. Nein, es muss etwas anderes sein.«
    Er kniff die Augen zusammen.
    »Ich will es wirklich wissen. Meinem alten Freund Viktor hast du Gefühle entlockt, zu denen er Jahrzehnte nicht mehr fähig war. Erstaunlich. Der Schotte. Nun, Andrew war schon immer sehr impulsiv. Aber das er seinem Bruder die Geliebte abspenstig machen will, das ist selbst für ihn ungewöhnlich. Und Pierre ist nahezu besessen von dir. Er hatte dich schon längst töten wollen und es immer noch nicht getan. Ich bezweifle langsam, dass er überhaupt dazu imstande ist.«
    Ich musste die Augen schließen, um meine widersprüchlichen Gefühle in den Griff zu bekommen. Dem Schock, als er vom Töten sprach und der ungläubigen Erleichterung über den letzten Satz. Bei seinem Lachen stellten sich meine Nackenhaare auf.
    »Oh, freu dich nicht zu früh meine Liebe, nicht jeder von uns ist dir so verfallen. Für mich wäre es nicht mehr, als ein Fingerschnippen.«
    Die Erleichterung blieb mir im Hals stecken. Ich starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, kämpfte verzweifelt gegen die Tränen an. Er wiegte nachdenklich den Kopf und sagte in unverändertem Plauderton: »Da ich noch nicht gefrühstückt habe, könnte ich mir damit auch die manchmal so lästige Jagd ersparen.«
    Jetzt schossen sie wie ein Sturzbach aus meinen Augen, keine Chance, sie aufzuhalten.Tadelnd schnalzte er mit der Zunge.
    »Nicht doch. Ich hatte meinen Satz noch nicht beendet. Zum einen kommt es mir durchaus gelegen, dass die beiden Brüder«, er spuckte das Wort fast aus, »ein wenig abgelenkt werden. Zum anderen muss ich noch herausfinden, wie du das angestellt hast. Ich kann doch aber nur in dein hübsches kleines Köpfchen, wenn es noch funktioniert.«

    Ich wollte nicht sterben. Aber die Aussicht, ihn in meinem Kopf zu haben, war noch grauenvoller. Hatte mich vorher schon die Panik gepackt, so stand ich jetzt ganz knapp vor dem völligen Zusammenbruch. Wie eine Irre
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